»Warum sollte man sich ein Konzert eines Schulchors anhören? Noch dazu, wenn der aus einer Gegend kommt, in der man vielleicht noch nie war, und weder die eigenen Kinder, Enkel noch Freunde mitsingen? Das müsste schon ein besonderer Schulchor sein. Einer, der selbstverständlich gut singt, sauber, harmonisch, immer im Takt. Der klassische Musik mit Drive füllt und Popsongs mit Gehalt. Einer, dem man die Begeisterung bei jedem Auftritt ansieht. Der es schafft, dass überzeugte Atheisten und junge Frauen mit Kopftuch eine Messe singen, Jugendliche Brahms und Zwölfjährige Rammstein. Einer, der nicht nach einem Komponisten benannt ist, sondern nach einem Maler, bei dem jedes Bild zeigt, was eine Klangfarbe ist. Der bei Nürnberger Sängerwettstreiten und deutschlandweiten Contests ausgezeichnet wurde. Einer, bei dem man polnische Lieder singt, bevor man auf englisch Guten Tag sagen kann, und auch nach dem Schulabschluss noch unbedingt bleiben möchte. Einer, der nicht zum ersten Mal auf Konzertreise fährt, sondern schon auf römischen Piazze gesungen hat, in polnischen Kinotheatern, Südtiroler Architekturdenkmälern, oberösterreichischen Filialkirchen und Strandmuscheln an der Ostsee. Einer, der wie wohl alle im Frühjahr 2020 seinen gewohnten Alltag unterbrechen musste und erst einmal nicht wusste, wie es weitergehen soll. Ein Chor, der sich jetzt über nichts mehr freut, als gemeinsam einfach wieder zu singen. Für Sie, für dich, für alle. Der Dürerchor. – Forte, ostinato und vivace sind wie die meisten musikalischen Vortragsbezeichnungen italienische Worte mit grenzüberschreitender Bedeutung. Musiker können solche Angaben ohne Umschweife in Klang übersetzen; im Deutschen heißt forte stark, ostinato beharrlich und vivace lebhaft. Auch die Leiterin des Dürerchors hat einen italienischen Namen. Caroline di Rosa steht für zweierlei: Egal ob Schnulze oder Frottola, Musik kann und muss gut gemacht werden. Und egal ob man in die fünfte Klasse geht und nicht weiß, wie man ein Notenblatt verkehrt herum hält, oder sich fragt, ob man nun den elften oder zwölften umjubelten Auftritt in der Mailänder Scala absolviert hat; professionell können und müssen alle Musiker sein. Jeden Tag zeigt sie, welche Klänge und Projekte an einer staatlichen Schule ohne musikalischen Zweig möglich sind, durch persönlichen Einsatz und Kreativität in bürokratischer Umwelt. Sie ermöglicht Kooperationen mit Theatern, Orchestern, Chören und Big Bands, ein Projektseminar zu Experimenteller Musik, die Teilnahme an Musikfestivals und Bundeswettbewerben, CD-Aufnahmen und jedes Schuljahr zwölf Auftritte und eine Konzertreise. Sie beschränkt sich bei Auftritten nicht aufs Dirigieren, sie begleitet am Piano, singt bisweilen selbst mit, führt als Conférencière durchs Programm und nimmt auch die hässlichsten Dankesblumensträusse verbindlich entgegen. Und jeden Mittwoch steht sie im mit Konzertplakaten tapezierten Musiksaal am Flügel und probt mit ihrem Chor, feilt, repetiert, erklärt und legt offen, plaudert und reißt Witze, hört und überhört, macht munter, mäkelt, preist, beharrt, ermutigt, stretta al fine.« (Peter Schütz, 2020)