Thomas Wirsing

schreibt zur Erläuterung seiner Biographie:

Ich lebe in Basel und bin im vergangenen Januar Vater einer Tochter geworden. Ihr Name ist Valentina. Was das Klavierspiel betrifft, muss ich gestehen, dass ich dieses nicht mehr ausübe. Ich widme mich in meiner Arbeit voll und ganz der Architektur, oder, um es etwas weiter zu fassen, der Auseinandersetzung mit Raum und seiner Gestaltung. – Eigentlich ist es aber doch so, dass die entscheidenden Fragen in Musik, Literatur, Kunst und Architektur sehr nahe beieinander liegen; hierzu weiter unten mehr.

Studiert habe ich nach dem Abitur in Aachen und Wien und zu Beginn meiner Berufslaufbahn nochmals in Zürich. Einige Dinge, die ich nach dem Studium gemacht habe, sind Zufallsprodukte. So landete ich zeitweise in einer Universitäts-Lehrtätigkeit (Fachhochschule Bern), wo ich mich ausführlich mit Entwurfstheorie befassen konnte. In diese Zeit fällt auch die Arbeit als Bühnenassistent am Opernhaus Zürich für die Opernproduktion „Herr Nordwind“ zusammen mit einem Produktionsteam, das ich noch aus meiner Zeit in Wien kannte. Ich bekam wieder Sehnsucht nach Wien und habe mich dort nochmals zwei Jahre aufgehalten, um mich nun doch endlich der Architekturpraxis zu nähern.

In dieser Zeit wurden mir meine eigenen Grenzen (ich war zu langsam), gleichzeitig aber auch meine Qualitäten bewusst, die eher etwas mit handwerklicher Genauigkeit und detailbewusster Sorgfalt zu tun hatten als mit Marktschreierei, Effekthascherei. Ich ging zurück nach Zürich und zog mich dort für ein Jahr zurück, um zu lesen und mir über die nächsten Schritte Klarheit zu verschaffen.

Nachdem ich lange Zeit keinen Erfolg mit erneuten Bewerbungen hatte, mich dann aber doch die Zusage für eine Assistenztätigkeit an der Akademie der Bildenden Künste in Wien erreichte, lernte ich ein Architektenpaar in Basel kennen, das sich mit Bauen im Bestand auseinandersetzt. Da sie einen Projektleiter für einen gewonnenen Wettbewerb suchten, sagte ich in Wien ab und in Basel zu. Mittlerweile arbeite ich seit fünf Jahren für die beiden.

In ihrer Arbeit geht es um das Verstehen des Vorgefundenen, das ein genaues Hinschauen voraussetzt. Die Eingriffe bedeuten ein selbstverständliches „Hineinschreiben“ in das Alte, und weniger ein Bauen, das Alt und Neu kontrastreich aufeinander prallen lässt. In dieser sehr sensiblen Haltung fand ich mich wieder. Das Ergebnis der anschließenden Arbeit war die Sanierung des Hebel-Schulhauses in Riehen bei Basel aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, die in der Presse sehr gelobt wurde. Derzeit beschäftige ich mich mit der Sanierung eines Schulhauses vom Ende des 19. Jahrhunderts im Zentrum von Basel.

Ich versuche immer wieder der Frage nachzugehen, wie in anderen Disziplinen Antworten auf Gestaltungs- und insbesondere Interpretationsfragen gefunden werden: Wie stellt man den großen Bogen, den Zusammenhang her? Was ist zu tun, damit nicht alles auseinanderfällt? Wie erzeugt man Spannung? Was bedeutet Autorenschaft? Wie wichtig oder unwichtig ist der Interpret? Was sind die zentralen Aspekte, und was lenkt nur ab? Wie ist das Vorgefundene in der Tradition verankert, und was bedeutet sie für das Jetzt? – In diesem Sinn bedeutet es mir sehr viel, was Du mir mit dem Klavierunterricht auf den Weg gegeben hast. Es hilft mir noch heute, Antworten zu finden.