Presse/Bilder

Schräge Klänge in Coburg

Vier fränkische Komponisten konnte man ganz nah erleben beim letzten der drei Werkstattkonzerte mit Neuer Musik im Kulturladen

(…) Zum Abschluss erklang das wohl modernste Stück des Abends, „Lament“, ein 2012 entstandenes Melodram für Sprecher (Tonträger) und Klavier auf Dylan Thomas‘ eigene Rezitation seines Gedichts, das in jeder Strophe den Grundrhythmus bestimmt, zu dem sich improvisationsähnliche Klavierpassagen gesellen. Auch hier erläuterte der Komponist Gernot Tschirwitz sein Opus, bevor Barbara Zeller den höchst anspruchsvollen Klavierpart zum gesprochenen Wort eindrucksvoll meisterte. Es gab reichen Beifall für die anwesenden Komponisten und ihre vorzüglichen Interpretinnen an diesem anregenden, interessanten Abend.

infranken.de/regional, 25.3.2018

Schelmenstück und Lautmalerei

Coburg. Stieß das erste Konzert der Reihe „Schräge Töne“ noch auf zögerlichen Zuspruch, so konnte der Kulturladen Judengasse 22 beim Abschlusskonzert am Samstagabend die Interessenten gar nicht alle fassen, die „Komponisten ganz nah“ erleben wollten. (…) Zur Krönung des Abends geriet das von Gernot Tschirwitz vertonte Gedicht „Lament“ (Klage) von Dylan Thomas, das als reine Sprachpoesie daherkam und die Musik bereits in sich trägt. Die Poetik der Stimme von Dylan Thomas auf CD inspirierte Tschirwitz zu seinem „Melodram für Sprecher (Tonträger) und Klavier“ auf dieses Gedicht um die Stationen eines Lebens. Barbara Zeller bewältigte diese Transformation des poetischen Ausdrucks auf ausdrucksstarke Weise am Klavier.

Neue Presse Coburg, 26.3.2018
Dr. Peter Müller

„Und all das ist verbrannt“

Würzburg liest im kommenden Jahr Amichais Buch „Nicht von jetzt, nicht von hier“

(…) Amichai hatte kurz vor seinem Tod den Dichter Paul Celan kennengelernt. Für Celans Lesungen in Israel übersetzte Amichai einige seiner Gedichte ins Hebräische. Möglicherweise befand sich unter diesen Gedichten auch Celans „Todesfuge“, die Gernot Tschirwitz zu seiner Komposition „Ein Meister aus Deutschland“ inspiriert hatte. Dieses Stück trug Rudi Ramming, Pianist und Kulturförderpreisträger der Stadt Würzburg, im Rahmen der Buchpräsentation auf dem Flügel vor – und das Publikum hielt den Atem an.

„nummer“ 125 (Würzburg), Juli/August 2017
Markus Mauritz

 

Ein Würzburger Autor wird neu entdeckt

Jehuda Amichai: „Nicht von jetzt, nicht von hier“ – Klaviermusik passend zum Buch

(…) Zu dieser Wirklichkeit gehören auch die Klänge, die Rudi Ramming am Flügel beitrug. Zentrales Stück war die Komposition des Würzburgers Gernot Tschirwitz mit dem Titel „Ein Meister aus Deutschland“ nach dem Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan. Es ist ein hochemotionales und technisch äußerst anspruchsvolles Stück, und die Beklemmung im Saal war förmlich spürbar. (…)

Mainpost Würzburg, 12.5.2017
Karl-Georg Rötter

 

Traum und Umnachtung

Zum 70. Geburtstag des Komponisten und Pianisten Gernot Tschirwitz

„Am Anfang war das Wort“ und: „Das Wort ist Musik geworden“ möchte man etwas salopp den Evangelisten Johannes umdichten – könnten diese frei aus dem Zusammenhang assoziierten Zeilen doch tatsächlich so etwas wie eine Losung, einen Schlüssel zum Werk von Gernot Tschirwitz liefern. Nichts scheint so elementar und bestimmend für seine Musik zu sein wie Sprache und Lyrik. Sie gibt Form und Geste, Tonfall, Rhythmus und Klang. Nur ein Werk an diesem Abend, das kontrapunktisch fein gewobene und von Klaus Lieb (Violine), Susanne Kolb (Klarinette) und dem Komponisten am Klavier sorgfältig ausgestaltete „Les Amants et la Mort – Pas de deux, Pas de trois pour Violon, Clarinette et Piano“ (UA) kommt ohne Text aus. Doch auch hier: ein literarischer Titel, und eine vom Komponisten formulierte, makaber poetische Illustration im ungewöhnlich üppig ausgestatteten Programmheft. Neben vielgestaltig-kunstvollen Liedern nach Texten von Morgenstern, Kästner, Mörike und Dylan Thomas, gewohnt pointiert und ausdrucksstark musiziert von Regina J. Kleinhenz, Gigi Pfundmair und dem Komponisten am Klavier, bildeten besonders zwei weitere schwergewichtige Uraufführungen einprägsame Höhepunkte in dem an Herausforderungen nicht gerade armen Portraitkonzert: „Lament“, ein hochexpressives Melodram für Einspielband (Dylan Thomas‘ brillante Rezitation seines eigenen Gedichts) und Klavier, in dem Tschirwitz seine schillernde, gemäßigt moderne Tonsprache elektrisierend zuspitzt, und: „Traum und Umnachtung“, ein weiteres Melodram, diesmal für Sprecher und zwei Klaviere nach einer Prosadichtung von Georg Trakl, das den Zuhörer mit unwiderstehlicher Wucht in die fiebrig morbide Welt des Dichters entführt. Neben dem schon in der vierhändigen Wortfantasie „Es tilgen Feuerzungen“ (nach Gedichten von Ossip Mandelstam) bewundernswert feinnervig agierenden Klavierduo Michaela Schlotter und Rudolf Ramming, steigert sich auch hier Rezitator Thomas Streit lustvoll und aufregend in seinen dunklen Text. Gernot Tschirwitz machte es sich, seinen Musikern und dem Publikum auch diesmal nicht leicht. Zum Glück! Musik solcher bohrend bewegenden Expressivität und Dichte kann man eben nur mit maximaler Sorgfalt und kompromisslosen Qualitätsstandards realisieren. Herzlichen Glückwunsch zum 70sten!

Neue Musikzeitung (nmz), Juni 2014
Karsten Stracke

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v.l.n.r.: Thomas Streit, Klaus Lieb, Susanne Kolb, Gigi Pfundmair, Michaela Schlotter, Regina. J. Kleinhenz, Rudolf Ramming, darunter Gernot Tschirwitz
Foto: Anita Tschirwitz

 

Es tilgen Feuerzungen

Komponistenportrait 16. Juni 2013, Evangelische Kirche Obereisenheim

Es muss schon einen guten Grund haben, wenn sich an einem milden, sonnig warmen Sonntag Nachmittag im Juni so auffallend viele Musikinteressierte in der kühlen, kleinen Kirche eines abgelegenen, idyllischen Weinortes am Main einfinden; speziell wenn, wie in diesem Fall, Neue Musik auf dem Programm steht, genauer: eine prall gefüllte Stunde mit engagierter und hochexpressiver zeitgenössischer Vokal- und Klaviermusik. Dieser gute Grund ist einfach zu benennen: er heißt Gernot Tschirwitz. Nicht nur dem Obereisenheimer Publikum bestens bekannt durch zahlreiche, gehaltvolle und ambitionierte Konzerte mit eigenen Kompositionen, bot der in Schwanfeld lebende Komponist und Pianist diesmal einen beeindruckenden und einprägsam musizierten Querschnitt durch sein reichhaltiges Schaffen. Zusammen mit den beiden ausdrucksstark und stimmlich hervorragend agierenden Sängerinnen Regina J. Kleinhenz und Gigi Pfundmair sowie dem sensiblen, ausbalanciert tönenden Klavierduo Michaela Schlotter und Rudolf Ramming brachte der offensichtlich in musikalisch-interpretatorischen und ästhetischen Fragen überaus perfektionistische Komponist neben Liedern nach Gedichten von Morgenstern und Kästner allein drei Uraufführungen zu Gehör. „Es tilgen Feuerzungen“, sieben Miniaturen, sogenannte Wortfantasien, nach Gedichten von Ossip Mandelstam für Klavier zu vier Händen, drei Lieder nach Gedichten von Eduard Mörike und „Two Very Short Requiems“ für Klavier allein bzw. für zwei Frauenstimmen und Klavier nach Poemen von Dylan Thomas. Der große Applaus für diese gemäßigt moderne, an die Spätromantik und Zweite Wiener Schule angelehnte, nachvollziehbar und quasi menschlich gebliebene Klangsprache und deren konsequente, so überaus sorgfältige Realisierung durch das überzeugende Interpreten-Ensemble ist mehr als verdient.

Gemeindebrief der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Obereisenheim, August/September 2013
Karsten Stracke, Würzburg

v.l.n.r.: Rudolf Ramming, Michaela Schlotter, Gigi Pfundmair, Regina J. Kleinhenz, Gernot Tschirwitz Foto: Anita Tschirwitz

v.l.n.r.: Rudolf Ramming, Michaela Schlotter, Gigi Pfundmair, Regina J. Kleinhenz, Gernot Tschirwitz
Foto: Anita Tschirwitz

 

Neue Partituren, durchgesehen von Max Nyffeler

Gernot Tschirwitz: Es tilgen Feuerzungen für Klavier vierhändig, Eigenverlag

Sieben Miniaturen nach Gedichten von Ossip Mandelstam: „Wortfantasien“, die der Prosodie des Textes folgen, der aber nicht zu hören ist. Die „Lieder ohne Gesang“ bilden Struktur und Ausdrucksgehalt der zugrunde liegenden Gedichte ab. Im Klaviersatz gibt es Spuren von imaginären Liedmelodien. Traditioneller vierhändiger Klaviersatz, ca. 8 Minuten, mittelschwer. Eigenwillige Sprachvertonungen, in denen der Text von der Musik völlig „verschluckt“ wird, deren Gestik aber nachhaltig prägt.

Neue Musikzeitung (nmz), Februar 2013
Max Nyffeler

 

Gestreift vom Atem der Meister

Musik von  Gernot Tschirwitz im Museum Georg Schäfer Schweinfurt, 29. September 2011

Die Flügeltüren des Vortragssaales im Museum Georg Schäfer  schlossen sich. Das Licht wurde zu einem weichen Dämmerlicht herabgedimmt. Zuschauer wie Künstler befanden sich jetzt im Inneren einer hölzernen Box, im Inneren eines Resonanzraumes. Beste Bedingungen, um sich ganz der Musik und den Texten zu öffnen. Hohe Konzentration verlangten die Werke des Komponisten und Pianisten Gernot Tschirwitz ab. Und doch – oder vielleicht auch gerade deswegen – waren sie Kompositionen, die durch ihren Reichtum an Textverknüpfungen und Anspielungen zu weiterer Beschäftigung mit den zitierten Schriftstellern anregten. Eine geschlossene Einheit boten die drei Werke, in deren Zentrum die Aufführung von „Ein Meister aus Deutschland“ nach Paul Celans „Todesfuge“ stand. Textgenerierte Instrumentalmusik nennt der Komponist seine Herangehensweise an Texte, wobei er die Worte der Gedichte der Notentextur einverleibt, aus den Silben und Worten werden musikalische Wendungen. Damit nicht nur der Interpret, sondern auch der Zuhörer zumindest eine Ahnung des Textes bekam, der den Komponisten seit Jahrzehnten umgetrieben hatte, verlagerte er vor die Aufführung der „Wortfantasie“ eine historische Aufnahme der „Todesfuge“, gelesen von Paul Celan selbst in monotonem Singsang. Celan hatte sich seinerzeit den Vorwurf gefallen lassen müssen, er betreibe eine „Ästhetisierung des Grauens“ durch Thematisierung von Auschwitz in Gedichtform. Und so verwundert es nicht, dass für Gernot Tschirwitz eine Vertonung des Gedichtes in traditioneller Form nie in Frage gekommen war. „Mit größter Intensität“ sei das Werk zu spielen, fügt er zur Tempobezeichnung „langsam, schwankend“ hinzu. So beginnt es auch, stockend, ohne erkennbare Linie. Einzelne Töne in großem Ambitus fügen sich erst allmählich in einen Zusammenhang, beschleunigen und nehmen an Intensität zu. Das „Lied der Moorsoldaten“ taucht in Zitaten wiederholt auf. Konturen, die anfangs klar schienen, verschwimmen und machen einer stampfenden Brutalität Platz. Gleich der Textvorlage endet das Werk ohne erkennbaren Schluss, tonlos, wortlos. Rudolf Ramming hatte in die Interpretation des berührenden Klavierstücks all sein pianistisches Vermögen gelegt und darüber hinaus größte Behutsamkeit und Respekt. (…)

Schweinfurter Tagblatt, 6.10.2011
Erna Rauscher

v.l.n.r.: Michaela Schlotter, Gernot Tschirwitz, Rudolf Ramming Foto: Anita Tschirwitz (2.2.2011 im Bibratheater der HfM Würzburg)

v.l.n.r.: Michaela Schlotter, Gernot Tschirwitz, Rudolf Ramming
Foto: Anita Tschirwitz (2.2.2011 im Bibratheater der HfM Würzburg)

 

Lieder ohne Gesang

Gernot Tschirwitz hat alle Ämter aufgegeben und konzentriert sich aufs Komponieren

portrait(…) „Ich wollte meinen Weg als Komponist finden, und auf dem gehe ich jetzt“, sagt Gernot Tschirwitz im Vorfeld eines Konzerts, bei dem er „Sieben Lieder mit und ohne Gesang“ aufführen wird. Damit sind wir mitten im Thema. Der Komponist vertont Gedichte aus allen Epochen auf ungewöhnliche Weise. Obwohl der Text in der Partitur steht, wird er nicht von einem Sänger gesungen, sondern vom Instrument. Die Frage, ob es sich also um Lieder ohne Worte handle, verneint er geradezu vehement. Die Musik entstehe aus dem Text, aus den Silben würden Noten, es sei also Musik mit Worten, bei der die Worte nur nicht hörbar seien – zumindest nicht auf die gewohnte Weise. Wer genau hinhöre, könne sie quasi doch hören oder zumindest nachspüren. Gernot Tschirwitz ist durchaus bewusst, dass seine Erklärung der „vollkommen textgenerierten Instrumentalmusik“ nicht von jedem verstanden wird. Seine Musik scheint eine Herausforderung für Zuhörer wie Interpret zu sein. Letzterer könne nicht einfach Note für Note spielen, sondern müsse den Text innerlich mitsprechen und mit seinem Instrument deklamieren. Der Text werde das Spiel des Interpreten zutiefst beeinflussen, sagt Tschirwitz, wenn nicht, spiele er an der Musik vorbei. (…) Ein Beispiel findet sich im jüngsten Werk „Ein Meister aus Deutschland“, Wortfantasie für Klavier allein nach einem Gedicht von Paul Celan. Es ist die Vertonung der „Todesfuge“, Celans bekanntestem Gedicht, in dem er den Holocaust thematisiert. (…) Flapsig ausgedrückt ist es ziemlich harter Stoff. Tschirwitz sagt selbst „alles todernstes Zeug“, das dem 66-jährigen so unter die Haut geht, dass er es in einem langwierigen Prozess in Musik verwandeln kann. Gedichte von Paul Claudel, Günter Eich, Hugo von Hofmannsthal und dem Barockdichter Andreas Gryphius gehören dazu oder die Letzten Sieben Worte von Jesus aus dem Neuen Testament. Mit diesen „Ultima Septem Verba“ hatte sich Gernot Tschirwitz schon in den 1970ern beschäftigt. 2006 nahm er sich den Text Wort für Wort wieder vor und entdeckte dabei die Musik, die in ihm steckt. Inzwischen sind eine Reihe von Werken mit dem Untertitel „Wortfantasie“ für Klavier, zwei Klaviere, Kammerensemble sowie ein Violinkonzert entstanden. Die „Sieben Lieder mit und ohne Gesang“ nach Gedichten von Andreas Gryphius werden am 21. November um 18 Uhr in der Evangelischen Kirche Obereisenheim aufgeführt.

Schweinfurter Tagblatt, 19.11.2010
Katharina Winterhalter

 

Delikates Spiel, minimalistische Artikulation

Zu drei Konzerten im März 2003 in der Landeshauptstadt

(…) Im dritten Konzert des Tonkünstlerverbands München am 24. März fanden die Sopranistinnen Regina J. Kleinhenz und Sabine Zeilermeier mit ihrem Begleiter Gernot Tschirwitz einen zum Bersten vollen Saal vor. Das Programm enthielt Duette von Mendelssohn-Bartholdy, Schumann und Dvorák, dazwischen waren Sologesänge eingestreut: Ermanno Wolf-Ferraris kantable und gleichzeitig witzige „Quattro rispetti“ über die Liebe, Joseph Suders groß angelegte und hochexpressive Lieder nach eigenen Texten, Richard Strauss‘ transparente und oft herbe Gesänge der Ophelia und schließlich Jean Sibelius‘ stimmungsvolle Liebeslieder. Die beiden Damen waren nicht nur stilvoll gekleidet und eine Wohltat fürs Auge, sondern auch fürs Ohr. Mühelose Übergänge in den einzelnen Lagen, tragender Ton im Piano, Stimmkultur auch bei höchster Dramatik, kammermusikalisches Zusammenwirken und absolute Textverständlichkeit zeichneten ihre Darbietungen aus. Gernot Tschirwitz am Flügel war mit seinem transparenten und modulationsfähigen Ton und seiner der Poesie nachspürenden Gestaltung wesentlich am Erfolg dieses Konzerts beteiligt.

Neue Musikzeitung (nmz), Juni 2003
Gertrud Firnkees

v.l.n.r.: Gernot Tschirwitz, Regina J. Kleinhenz, Sabine Zeilermeier

v.l.n.r.: Gernot Tschirwitz, Regina J. Kleinhenz, Sabine Zeilermeier
Foto: Anita Tschirwitz

 

Kochrezepte, Komödiantisches und Lieder

27. Juli 2001: Lieder und Duette im Toscanasaal der Würzburger Residenz

(…) Ein bemerkenswertes Konzerterlebnis bescherte der schlicht „Lieder und Duette“ betitelte Vokalabend im Toscanasaal mit den von Gernot Tschirwitz am Flügel begleiteten Sopranistinnen Regina Kleinhenz und Sabine Zeilermeier – und zwar nicht allein wegen der gleichermaßen anspruchsvollen wie kurzweiligen Programmgestaltung und deren überzeugender künstlerischer Realisation, sondern auch und vor allem, weil das spürbare zwischenmenschliche Harmonieren der Interpreten diese zu einem außergewöhnlichen kammermusikalischen Zusammenspiel inspirierte. So verwoben sich die beiden Sopranstimmen unterschiedlichen Charakters in den Duetten von Mendelssohn, Schumann und Dvorák in makelloser Intonationsreinheit zum Ensemble von beeindruckender Homogenität und ließen die romantischen Preziosen zu bezaubernden Bildern voll intimer Poesie (…) geraten oder zum mitreißenden, von musikantischem Schwung geprägten Beschluss des Abends (…) werden. Etwas „leichtere“ Kost bildeten die Sololieder im ersten Teil des Programms, allerdings eher für das Publikum als für die Interpreten. Wie etwa Sabine Zeilermeier die „La bonne cuisine“ betitelten „Four Recipes“ – von Leonard Bernstein vertonte Kochrezepte – mit atemberaubender Brillanz vorstellte, war gar köstlich zu goutieren, verlangte allerdings den Interpreten weit mehr als eine kleine Prise technischer Fertigkeiten ab. Mit anmutig kindlicher Geste (im „Lollipop-Song“) und schier unaufhörlicher Schwatzhaftigkeit (in der „Chatterbox“) verlieh Regina Kleinhenz zwei entzückenden Kinderliedern von Prokofieff dann komödiantisches Profil. Ein aparter Reigen, die von beiden Sängerinnen mit Charme und Esprit vorgetragenen, ein wenig in den Bereich „Kabarett, Chanson“ verweisenden fünf Lieder Laci Boldemanns nach Gedichten von James Krüss, beschloss die erste Programmhälfte und bereitete launig-ungetrübte Hörfreude. Zwischen den bereits erwähnten Blöcken romantischer Duette gab es in der zweiten Programmhälfte große Liedliteratur: Sechs der zu Unrecht kaum bekannten „Rispetti“ des Ermanno Wolf-Ferrari, von Regina Kleinhenz souverän gestaltete italienische Vokalkultur in prachtvollster Blüte, sowie vier Lieder von Jean Sibelius, deren dramatische Wucht, von Sabine Zeilermeier noch eindringlich unterstrichen, den Zuhörer unmittelbar ergriff und erschauern ließ. Gernot Tschirwitz, der auch die Funktion des Moderators versah und dabei weniger Bekanntes aus dem Programm zu erhellen wusste, erwies sich schließlich als Begleiter von ganz besonderer Güte, stets präsent, sensibel reagierend, mit fein nuancierter Anschlagskultur den Klaviersatz farblich differenziert ausgestaltend und dynamisch sorgfältig abstufend, dabei immer wieder unaufdringlich auch Impulse gebend und so für das gleichermaßen inspirierte wie zuverlässige Fundament des bereits erwähnten wunderbaren musikalischen Miteinanders sorgend. Mit dem „Mailied“ aus Robert Schumanns Duetten und dem „Abendsegen“ aus Engelbert Humperdincks „Hänsel und Gretel“ rundeten zwei Zugaben nach begeistertem Applaus des Publikums einen Vokalabend ab, der wahrhaftig keinen Wunsch offen ließ.

Neue Musikzeitung (nmz), November 2001
Thomas Streit

 

Übermütige Kochrezepte

Lieder und Duette im Toscanasaal der Würzburger Residenz

Zwei Zugaben erklatschte sich das begeisterte Publikum, als wollte es vergessen machen, dass sich ruhig ein paar mehr Leute im Toscanasaal hätten einfinden können, um einem feinen, sorgfältig gearbeiteten Programm mit Liedern und Duetten von acht verschiedenen Komponisten beizuwohnen, noch dazu wo die beiden Sängerinnen Sabine Zeilermeier und Regina Kleinhenz (beide Sopran) und der unermüdlich aktive Gernot Tschirwitz keine Unbekannten in Würzburg sind. Mit Bedacht gewählt und auf hohem Niveau ließen die verschiedenen Werke zwei unterschiedliche Stimmen deutlich werden, die sowohl solistisch glänzten wie auch im Ensemble sich harmonisch verbanden. Die drei Blöcke mit Duetten von Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann und Antonin Dvorák gerieten wunderbar ausgeglichen und weich, immer sorgsam artikuliert, und dank der sauberen Intonation vergaß man schnell die etwas schwierige Akustik des Saales. Mit zwei köstlichen, komödiantischen Liedern von Prokofjew, einigen varietéhaften Nummern des Finnen Laci Boldemann, viel Witz und schauspielerischem Esprit brachte Regina Kleinhenz die Zuschauer zum Schmunzeln. Auch in den sechs zu Unrecht vergessenen „Rispetti“ des deutsch-italienischen Opernkomponisten Ermanno Wolf-Ferrari überzeugte ihre helle, leuchtende, in allen Lagen ausgeglichene und offene Stimme. Sabine Zeilermeier brillierte zunächst in den übermütigen, expressionistischen Vertonungen einiger Kochrezepte (tatsächlich) von Leonard Bernstein, deren artistische Schwierigkeiten sie virtuos und mit Charme anging. Doch für manchen waren vielleicht die vier Lieder von Jean Sibelius so etwas wie ein Höhepunkt des Abends. Hier blühte ihre kraftvolle, kernige und tragfähige Stimme weiter auf, und Dramen wie „Schwarze Rosen“, dessen Schluss einen förmlich in Schock versetzte, oder „Der erste Kuss“ mit seiner beklemmenden Stimmung verfehlten ihre Wirkung nicht. Sitzt Gernot Tschirwitz am Klavier, braucht man sich eigentlich um nichts Sorgen zu machen. Er scheint jeder Situation gewachsen und ist mit seinem sensiblen, ausdrucksvollen und facettenreichen Spiel ein hervorragender Begleiter. Sein Zugriff ist federnd und weich, alles ist bis ins Detail verständlich und sauber artikuliert. Tolles Kammermusikspiel.

Main-Post Würzburg, 30.7.2001
Karsten Stracke

 

Aus wenig ein Universum machen

Jörg Metzger (Violoncello) und Gernot Tschirwitz (Klavier) bei den Bad Kissinger Klaviertagen

Jörg Metzger und Gernot Tschirwitz spielen die e-Moll-Sonate (…) von Johannes Brahms – allein schon diese Ankündigung und Erwartung war Magnet genug für den Duoabend im Weißen Saal. Und in der Tat wurde die Interpretation der Künstler zu einem eindrucksvollen Erlebnis, das lange nachklang. Die Sonate ist bei Cellisten sehr beliebt, nicht nur weil sie ein Zeugnis für Brahms‘ Fähigkeit ist, aus kleinen Themen unglaublich viel, musikalisch Dankbares, zu machen, sondern auch, weil sie außerordentlich cellomäßig geschrieben ist, das spielerische Eintauchen gestattet. Und das taten Jörg Metzger und Gernot Tschirwitz in eindrucksvoller Weise in einem einheitlichen, durchgehend spannungsgeladenen dramatischen Entwurf, der mit viel interpretatorischem Druck die Tiefen dieses Werkes auslotete. Bis zur Aggressivität steigerten sie das dichte Wechselspiel der beiden Instrumente im ersten Satz, nach dem das federnde Allegretto wie die Ruhe nach dem Sturm wirkte. Sehr gut umgesetzt in einen ungebrochenen Vorwärtsdrang war die kantige Fuge des Finalsatzes, der trotz seiner akademischen Struktur hochvirtuoses Feuer atmete. Wer Franz Schuberts „Arpeggione-Sonate“ (…) aufführt, geht immer einen Kompromiß ein. Denn von dieser einstigen sechssaitigen, in Quarten gestimmten Streichgitarre (…) gibt es zur Zeit kein einziges Exemplar! (…) Das bedeutet, daß die Cellostimme eine Bearbeitung ist, die den Cellisten in Höhen treibt, in denen er eigentlich nicht zuhause ist. (…) Und doch zeigte die Interpretationskunst die hohe Kompositionskunst Schuberts, sein Denken in Liedern. Denn zu den wunderschönen Kantilenen des Cellos im zweiten Satz zauberte Gernot Tschirwitz eine hochsensible Gesangsbegleitung reinsten Wassers. (…)

Saalezeitung Bad Kissingen, 21.4.1993
Thomas Ahnert

 

Akkorde wie Perlen an einer Schnur

Jörg Metzger und Gernot Tschirwitz bei den Bad Kissinger Klaviertagen

Mit heiter beschwingten Klängen von Ludwig van Beethoven über Mozarts „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ eröffneten Jörg Metzger (Violoncello) und Gernot Tschirwitz (Klavier) im Weißen Saal des Regentenbaus ihren Duoabend im Rahmen der Klaviertage. Während Tschirwitz mit scheinbar ungeheurer Leichtigkeit und großer Musikalität die Klavierakkorde wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihte, erfüllten die runden, vollen Klänge von Metzgers Cello den gesamten Raum. Der verspielte Charakter dieses ersten Stücks wurde abgelöst von Franz Schuberts temperamentvoller Sonate a-Moll, die an Zigeunerweisen erinnert und ein stark ausgeprägtes tänzerisches Element beinhaltet. (…) Das harmonisch abgestimmte Zusammenspiel beider Interpreten kam hier bei der „Arpeggione-Sonate“, die ursprünglich für Guitarre d’amour (…) geschrieben wurde, in besonderem Maße im zweiten Satz durch die verhaltene Klavierbegleitung, welche die Cellostimme eindrucksvoll hervorhob, zum Ausdruck. (…) Eine nochmalige gefühlsbetonte, musikalische Steigerung erfuhr der Abend durch die ausdrucksstarke Sonate e-Moll von Johannes Brahms (…) Während dem Klavier bei der Schubertschen Sonate eher Begleitfunktion zukam, übernahm es bei Brahms die Führungsrolle. Und wieder beeindruckte das sensible Zusammenspiel, bei dem der weiche Klang des Cellos die Atmosphäre schließlich in besänftigende Schwingungen versetzte, nachdem das vehemente Klavierspiel den Zuhörer erst innerlich völlig aufgewühlt hatte.

Main-Post Würzburg, 20.4.1993
Gabi Zahn

 

Heldentenor auf dem Weg nach Berlin

Endrik Wottrich und Gernot Tschirwitz gaben einen Liederabend beim Musikring

Das ist eine Erfahrung, die man als Konzertbesucher immer wieder machen kann: Am interessantesten sind die hochbegabten jungen Künstlerinnen und Künstler. (…) Sie sind meistens selbst noch auf der Suche, verfügen über eine solide bis sehr gute handwerkliche Ausbildung, haben sich aber im Spektrum des Genres noch nicht spezialisiert. Sie sind noch gut für Überraschungen. Ein solcher junger Sänger gab jetzt, begleitet von Gernot Tschirwitz, einen Liederabend im Großen Saal des Regentenbaus: der Tenor Endrik Wottrich. (…) Er hat einen außerordentlich klaren, tragfähigen, strahlenden Tenor. Und er ist ein Sänger, der sich von Anfang an voll aussingt, der risikobereit ist. (…) Sein Programm zeigte deutlich, dass sein Weg wohl eher zu Wagner als zu Schubert führen wird, dass sein Fach vor allem die Oper, weniger das Kunstlied sein wird. So gesehen war die Zusammenstellung mit Liedern von Schumann, Wagner und Duparc ebenso ambitioniert wie aufschlussreich. Wottrich zeigte sich bei Schumanns Eichendorff-Vertonungen op. 39 im Zusammenwirken mit Gernot Tschirwitz, der einmal mehr außerordentlich sensibel und im besten Einvernehmen mit dem Sänger begleitete, als sehr nachdenklicher und gestaltungsbewusster Liedinterpret. (…) Ein Erlebnis aber wurden Wagners Wesendock-Lieder: hier kamen die stimmlichen Qualitäten Wottrichs voll zur Geltung, hier sang er auf höchstem Niveau, hier schuf er lange Spannungsbögen, in denen er außerordentlich differenziert die Leidenschaftlichkeit (…) gestaltete, und in denen er die Nähe der Lieder zu „Tristan und Isolde“ nachhaltig verdeutlichte. (…) Bravorufe gab’s schon nach Wagner. Wottrichs Verpflichtung zu Daniel Barenboim an die Staatsoper Unter den Linden ist nur konsequent. Die Berliner können sich auf einen hochbegabten jungen Heldentenor freuen.

Saalezeitung Bad Kissingen, 15.12.1992
Thomas Ahnert

 

Ein ausgeprägtes Operntalent

Liederabend Endrik Wottrich in der Musikhochschule Würzburg

Ein junger Sänger aus der Meisterklasse Prof. Ingeborg Hallstein stellte sich im Großen Saal der Musikhochschule mit einem anspruchsvollen Liedprogramm der Öffentlichkeit vor: Endrik Wottrich (Tenor), begleitet von Gernot Tschirwitz am Flügel. Wir kennen den jungen Mann von Darbietungen der Opernschule, wo er stimmlich und im Auftreten eine gute und gewandte Figur machte. Nun hatte er sein Gesangstalent an großen Liednummern gemessen. Tenöre sind „Mangelware“, die Bühnen suchen lyrische und stimmgewaltige Sänger, die entsprechende Rollen auch charakteristisch ausfüllen. In Wagners Wesendonck-Liedern, sonst von Frauen gesungen, schnitt Wottrich erstaunlich gut ab, da liegen ihm die besonderen stimmlichen Anforderungen, erfüllte er die Lieder mit den Wandlungen romantischen Erlebens. Hier durfte auch die Höhe seiner Stimme Schmelz zeigen, ausufern, empathischer klingen, auch die lyrische Note überzeugender zum Ausdruck kommen. (…) Wottrich steht noch am Beginn seiner Karriere und wird an Erfahrung, Souveränität und Integration mit dem Liedgut dazulernen. In der Oper wird er rasch Fuß fassen, zeigt er doch ein ausgeprägtes künstlerisches Profil, wie ein solches zuletzt die Lieder Duparcs erfahren ließen. Einen eminent sensiblen, exakt hinhörenden und differenzierenden Begleiter am Klavier fand Wottrich in Gernot Tschirwitz, der den Klaviersatz fein nachempfand und auch technisch die anspruchsvollen Lieder umfassend beherrschte.

Fränkisches Volksblatt Würzburg, 2.11.1992
Klaus Linsenmeyer

 

Symbol der Bewegung des Lebens zum Tode

Klaus Lapins (Bariton) und Gernot Tschirwitz (Klavier) gaben Schuberts „Winterreise“ bei den Bad Kissinger Klaviertagen

Vielleicht ist er erst am Ende dieser so oft als Todessymbol gedeuteten Zeit der Erstarrung, des Winters, zu ertragen; sicherlich paßte er zu der Stimmung des Aschermittwochs, Franz Schuberts berühmter Liederzyklus „Winterreise“. Als zweite Veranstaltung der fünf Konzerte der Bad Kissinger Klaviertage 1992 interpretierten ihn der in Coburg und Dresden tätige Bariton Klaus Lapins (…) und der Pianist und Veranstalter der Klaviertage, Gernot Tschirwitz. Dieser ist mit eigenen Auftritten und aufsehenerregenden Präsentationen der Leistungen seiner Klavierklasse ein fester Bestandteil des Kissinger Konzertlebens. Schuberts langer Zyklus fordert Interpreten wie Zuhörern einiges ab an Durchhaltevermögen angesichts einer durchgängig trostlosen Grundstimmung, einer immer wieder hervorbrechenden Todesahnung (…), die diese „Reise“ zu einem Symbol der Bewegung des menschlichen Lebens hin zum Tode machen. (…) Den beiden Künstlern gelang es eindrucksvoll, ihr Publikum in den Bann dieser verbittert-nihilistischen Klagen eines Vereinsamten, der an der Liebe und der menschlichen Zuneigung überhaupt verzweifelt, zu ziehen. Es zeigte sich, wie lange und intensiv sie schon zusammenarbeiten, und der Eindruck eines faszinierenden Dialogs zwischen Singstimme und Instrument wurde im Laufe des Abends immer stärker. Gernot Tschirwitz stellte seinen interpretatorischen Part ganz im Sinne der bei Schubert erreichten Gleichwertigkeit der Begleitung neben der Singstimme selbstbewusst dar. Durch starke Akzentuierung punktierter Rhythmen und effektvolle Überdehnung von Pausen behauptete er die Position der textausdeutenden Begleitung bei Schuberts Liederzyklen. Dazu gehörte auch die Darstellung der von Schubert als durchgängig angesehenen Entwicklung vom forschen Dahinschreiten des Wanderers im Eingangslied „Gute Nacht“ bis hin zu dem in gleicher Tonart stehenden Abgesang „Der Leiermann“, in dem nur noch suchende, zusammenhanglose, verunsicherte, ihres Zieles völlig ungewisse Schritte zu erkennen sind. In den Rang einer psychologischen Auslotung der Seelenlage des lyrischen Ichs des Wanderers gehörten vor allem seine Begleitung zu „Auf dem Flusse“, die Herausarbeitung des Umschwungs in „Rückblick“, das unheimlich wirkende Aufscheinen des „Irrlichts“ und die Fetzenhaftigkeit der trostlosen Melodie des „Leiermanns“. Klaus Lapins bewältigte die sängerische Tortur des 70 Minuten langen Programms ohne Pause mit erstaunlicher stimmlicher Konstanz, zumal er sich nicht mit dem „Kammerton“ so vieler Liedsänger begnügte, sondern sich vor hochdramatischer Aufgipfelung und äußerster Expressivität nicht scheute. Man merkte ihm an, daß er von der Oper kommt, und er zeigte, daß er sein Wissen um die Möglichkeiten einer mitreißenden, spannenden Gestaltung in Schuberts Wanderergestalt überzeugend darstellen konnte. Mit seinem strahlenden, obertonreichen Bariton bewältigte er auch die schwierigen Intervalle weich und klangschön, sowohl in den extrem tiefen als auch in den extrem hohen Lagen. Dabei mied er keineswegs das Risiko, wie etwa in dem gequälten Aufschrei „Da ist meiner Liebsten Haus“ am Ende von „Wasserflut“. Beide Künstler boten so eine ihr Publikum fesselnde Interpretation der „Winterreise“, der dieses mit äußerster Konzentration folgte. Der nach einer durchaus echten Pause der Ergriffenheit unter den Zuhörern überaus heftige Beifall wurde mit der Wiederholung des zentralen Lieds der zweiten Abteilung, „Der Wegweiser“ als Zugabe belohnt.

Saalezeitung Bad Kissingen, 6.3.1992
kag.

 

Die Hoffnung trügt immer

Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ in Bad Kissingen

Schuberts „Winterreise“ ist die Geschichte ständig enttäuschter Hoffnungen. Das Wandern hat hier nichts mehr mit Lust zu tun, es ist ein Gang voller Todessehnsucht auf einem Weg, von dem noch niemand zurückgekehrt ist („Der Wegweiser“). Diese düstere Sicht durchzog die gesamte Interpretation des Zyklus von Klaus Lapins (Bariton) und Gernot Tschirwitz (Klavier), die im Rahmen der Bad Kissinger Klaviertage dort im Weißen Saal des Regentenbaus zu hören war. Und es war bestimmt kein Zufall, daß die beiden Musiker gerade den „Wegweiser“ als Zugabe wählten. Gewiß, es ist schwer, die wenigen Momente der Hoffnung aufzuspüren, die die Lieder enthalten, zudem erweist sie sich immer als trügerisch. Trotzdem hätte man sich bei Lapins mitunter mehr Variation der Klangfarben gewünscht. (…) Dies ist aber auch der einzige Kritikpunkt, der zu diesem Konzert vorzubringen wäre; die „Einseitigkeit“ der Interpretation zeitigte nämlich wiederum eine sehr geschlossene und schlüssige Darstellung des Zyklus, die die ganze Trauer der Texte von Wilhelm Müller deutlich werden ließ. Daß er nie larmoyant wirkte (die Gefahr besteht immer ein wenig) lag daran, daß Lapins nicht schauspielert, während er singt. Er verläßt sich auf die rein musikalische Ausdruckskraft seiner großen und tragfähigen Stimme, die am stärksten in den ganz ernsten oder trotzigen Liedern wie „Mut“ oder „Die Nebensonnen“ wirkt. (…) Lapins‘ Stimmgewalt erlaubt es Gernot Tschirwitz am Flügel, alle Details seines Parts mit ausdrucksvoller Binnendynamik zu gestalten, ohne den Sänger zu übertönen. Mit viel Zeitgefühl sorgt er dafür, daß Lieder mit durchbrochener Struktur, wie „Der Lindenbaum“ oder „Der Leiermann“, nicht zerfallen. Obwohl man auf eine Pause zwischen erstem und zweiten Teil verzichtet hatte, war das Publikum am Ende nicht zu erschöpft, um sich eine Zugabe zu erklatschen..

Main-Post Würzburg, 6.3.1992
maw.

 

IN MEMORIAM KLAUS LAPINS:
Zwei Auszüge aus Rezensionen der Oper „Lenz“ von Wolfgang Rihm am Landesthater Coburg 1985:

lapinsKlaus Lapins hatte als Jakob Lenz eine Wahnsinnspartie in doppeltem Wortsinne zu bewältigen. Zum einen werden sängerische Anforderungen an die Stimme gestellt, die in die Grenzbereiche der Machbarkeit weisen. Riesige Intervallsprünge, extreme Tonlagen, nahtlose Übergänge vom Gesang zur Sprache und umgekehrt und dazu kaum tonale Orientierungspunkte von seiten des Orchesters, nicht zu reden von den geflüsterten, geschrieenen und gestöhnten Passagen. Zum andern wird von dieser Figur ein Vielfaches an schauspielerischer Fähigkeit gefordert, als es in der traditionellen Oper der Fall ist. All diese Anforderungen erfüllte Klaus Lapins mit unheimlicher Intensität bis hin zur kleinsten stimmlichen und mimischen Nuance. Er vollbrachte eine zwingende, mitreißende Spitzenleistung.

Eminent schwierig ist die Gesangspartie des Lenz (Klaus Lapins) gestaltet. Wolfgang Rihm läßt ihn schreien, stammeln, weinen und flüstern, treibt ihn in hohe Falsettlagen. Er war eine Idealbesetzung, wie sie jedem großen Opernhaus Ehre gemacht hätte. Er spielte nicht Lenz, sondern war Lenz, so eindrucksvoll setzte er stimmliches und schauspielerisches Können ein. Sogar sportliche Fähigkeiten wurden ihm abverlangt. Hier stimmte alles, die innere Einstellung, das Aufgehen in der Rolle, das Mienenspiel. Die ungeheuren Anforderungen musikalisch-sängerischer Art meisterte er höchst eindrucksvoll, angefangen von der enormen Gedächtnisleistung über die Intonationssicherheit bis hin zur intensiven, eindringlichen Ausdeutung des Gesangsparts, der ungeheure Stimmbeherrschung und Tonumfang erforderte. Höhepunkte waren die Predigt und die Dichterszene. Klaus Lapins wurde zu Recht am Ende am lebhaftesten gefeiert.

 

Zauber der Zwölftonmusik

Klaus Lieb und Gernot Tschirwitz in der Kongreßhalle Nürnberg

Wer ein Programm gestaltet, wird seine Stärken und Besonderheiten in den Vordergrund stellen, er wird sich selbst fragen, was er aufgrund der eigenen Qualitäten zum Schwerpunkt machen will. Klaus Lieb, seit fünf Jahren Konzertmeister der Nürnberger Symphoniker, und Gernot Tschirwitz, Pianist und Klavierpädagoge in Würzburg, wirken in der Musik des 20. Jahrhunderts am überzeugendsten. (…) Arnold Schönberg und Sergej Prokofieff: das kam ihren spielerischen Anlagen und ihrem Temperament am meisten entgegen, beide Komponisten standen darum zu Recht im Zentrum ihrer Matinee, die sie im Rahmen ihrer Konzertreihe, der Kammermusikalischen Akademie, in der Kongreßhalle gaben. Es ist gewiß ein Zufall, daß Schönbergs späte Phantasie op. 47 innerhalb einer Monatsfrist zweimal in Nürnberg zu hören war, zuerst im Privatmusikverein von Thomas Zehetmair und Silke Avenhaus gespielt, nun von Lieb/Tschirwitz, die in ihrer Interpretation vergessen ließen, daß Schönberg in diesem Spätwerk von 1949 den Klavierpart nachträglich hinzukomponiert hat, und daß kein Thema vom Klavier eingeführt oder wiederholt wird. Das kleine, doch musikalisch äußerst gewichtige Werk wurde von Lieb und Tschirwitz so klar gegliedert gespielt, daß es zum stärksten Eindruck der Matinee wurde. Reinste Zwölftonmusik mit schönem Klang, mit Erinnerungen an den Wiener Walzer und voller Poesie: Das war wunderbar musikalisch realisiert. (…) Auf gleicher Höhe waren beide in den „Cinq Mélodies“ op. 35 von Prokofieff, in denen sich der russische Komponist ganz und gar nicht als Motoriker zeigt, vielmehr impressionistische Züge aufweist, einen Klangteppich ausbreitet, auf dem sich melodische Fantasie herrlich entfalten kann. Das hatte seinen berechtigten Platz in diesem Konzert, das ja, entsprechend dem Programm der Reihe, an der Zweiten Wiener Schule Schönberg-Berg-Webern orientiert war.

Nürnberger Zeitung, 20.11.1990
br.

 

Ein Debut, das zu Hoffnung Anlass gibt

Der junge Tenor Endrik Wottrich hinterließ bei seinem Liederabend einen sehr guten Eindruck

Der Kissinger Kunst- und Kulturkreis, der darauf bedacht ist, nicht allzu häufig, aber doch regelmäßig kulturelle Veranstaltungen zu organisieren, hat mit dem Tenor Endrik Wottrich einen jungen Künstler gewonnen, der im März die Abschlussprüfung im Fach Violine mit einem hervorragenden Ergebnis abgelegt hat und sich nun ganz dem Gesangsstudium widmen kann. Er ist schon jetzt so weit, öffentliche Auftritte zu wagen, und das Konzert im Weißen Saal des Regentenbaus war für den jungen Künstler der Anfang. Er hinterließ dabei einen sehr guten Eindruck. (…) Liederabende sind gar nicht so häufig, sie wenden sich meist an eine verhältnismäßig kleine Zielgruppe. Zum großen Teil sind das dann selber Sänger, sei es in Verbindung mit einem Chor oder Opernliebhaber. Auch spielt die Neigung zur Literatur, vor allem zum Gedicht, eine wesentliche Rolle. So war im großen und ganzen auch die Zusammensetzung des Publikums beim Liederabend, auf dessen Programm Robert Schumanns „Dichterliebe“ nach Texten von Heinrich Heine sowie nach der Pause ausgewählte Lieder von Tschaikowsky und Richard Strauss standen. Endrik Wottrich ist weit fortgeschritten in der reinen Beherrschung der Gesangstechnik und zeigt ein auffallend hohes Niveau in der Kunst der Textgestaltung. (…) Nach anfänglicher Zurückhaltung war Wottrich bald in der Lage, den Bann zu brechen. Das Publikum, das sich von ihm gern mitreißen ließ, spendete langen, anhaltenden Beifall, den der Solist mit einer außergewöhnlichen Zugabe, dem „Kaddish“ von Maurice Ravel, quittierte. Der erste Liederabend eines jungen Künstlers steht oder fällt mit seinem Partner am Klavier. Wottrich hatte in Gernot Tschirwitz, dem freiberuflichen Pianisten, Klavierpädagogen und Hochschuldozenten, der dem Bad Kissinger Publikum durch seine Liederabende, Kammerkonzerte und regelmäßigen Schülerkonzerte seiner Privaten Klavierklasse gut bekannt ist, einen idealen Begleiter gefunden. Tschirwitz erwies sich einmal mehr als einfühlsamer, mitgestaltender Begleiter. Er stand über seinem Part so sicher wie der Solist, übernahm sogar eine gewisse Führungsrolle, ohne jedoch zu dominieren und die Kreise des Sängers zu stören. Tschirwitz war dem Sänger  eine sichere Stütze.

Saalezeitung Bad Kissingen, 11.6.1990
kne

 

Seelische Wechselbäder

Zum Würzburger Liederabend der Altistin Ingeborg Russ

(…) Die an der Detmolder Musikhochschule wirkende und von ihrer Würzburger Lehrtätigkeit (bis 1983) noch bestens erinnerliche Altistin beherrscht meisterhaft die Klaviatur des variablen Ausdrucks. Darüber hinaus gestattet ihr die Wärme und der stets eindringliche „Erzählstil“ ihrer außerordentlich modulationsfähigen Stimme auf der Basis einer immensen Bandbreite, ihre Hörer stets zu fesseln. Sie unterstrich das am Beispiel von vier Abschnitten mit höchst unterschiedlichen Gesängen von Brahms, Mahler, Schönberg und Strauss, wobei die plastische Lebhaftigkeit der Darstellung nie die ursprüngliche Herkunft von Ingeborg Russ aus dem Opernfach eines Willy Domgraf-Faßbaender leugnete. Aus schier unergründlichen Tiefen entwickelt Ingeborg Russ ihre Auslegungskunst, hievt Kantilenen unforciert in fast übertrieben ausgehaltene Ebenen der Sopranlage. In solchem Sinne beeindruckten wohl besonders das Ausloten der seelischen Wechselbäder des „Fahrenden Gesellen“ bei Mahler, die musikantisch ausgekostete Vielfalt von vier ausgewählten Strauss-Liedern. Am Flügel Gernot Tschirwitz. Der Würzburger Lehrbeauftragte für Korrepetition und Liedbegleitung war der Künstlerin ein gefühlvoller, dezenter und behutsamer Begleiter. Spontaner, reicher Beifall, Bravos, Zugabe.

Main-Post Würzburg, 17.5.1990
Hans Behr

 

Musikalisch tief ausgelotet

Die Altistin Ingeborg Russ in der Musikhochschule Würzburg

(…) Ingeborg Russ ist eine Künstlerin von Format, eine Persönlichkeit. Den Einstieg wagte sie mit Brahms, führte den Hörer sogleich in die sensible Romantik, wußte das Gefühl durch ausgewogene Stimmkultur zu kompensieren. „Immer leiser wird mein Schlummer“ oder das sturmumtoste Lied „Auf dem Kirchhofe“ oder „Von ewiger Liebe“ wurden zu Mustern bewegender Liedkunst, ergreifenden Vortrags und differenzierter Einfärbung der Höhen und Tiefen, die man nicht allein mit dem natürlichen Charme einer schönen Stimme bewältigen kann. Dramatische Gesten erlaubten die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler, deren leidende Depression und aufbäumende Leidenschaften bis hin zur Reduzierung der Mittel und völligen Vereinsamung des allein gelassenen Menschen musikalisch tief ausgelotet waren. Erstaunlich „romantisch“ geben sich die Vier Lieder op. 2 des frühen Arnold Schönberg eigentlich als konsequente Fortsetzung von Brahms und Mahler, als Hinführung zum farbig fluktuierenden Strauss, dessen Lieder eine angemessen empfundene Wiedergabe erfuhren. Gleichwertiger Partner am Flügel war Gernot Tschirwitz: einfühlsam, sensibel, flexibel, aber auch kraftvoll zugreifend, wo eruptive Romantik, ausladende Gebärden dies verlangten. Versiert in der Kunst der Liedbegleitung, kam es so zu einem geistig und musikalisch kongruenten Musizieren, bei dem jeder Partner seine Persönlichkeit gebührend ausbreiten durfte. Ein anspruchsvoller Abend mit spontanen Zurufen aus dem Publikum und Blumen als Dank für ein begeistert aufgenommenes Konzert.

Fränkisches Volksblatt Würzburg, 17.5.1990
Klaus Linsenmeyer

 

Ein Kosmos in Liedern

Konzert der Sängerin Ingeborg Russ in Nürnberg – Höhepunkt mit Mahler

Dieses Wiederhören machte wirklich Freude! Als Ingeborg Russ 1983 zu einer Professur an die Musikhochschule Detmold berufen wurde, gab sie im Nürnberger Konservatorium ihren Abschieds-Liederabend. Der neugegründeten „Kammermusikalischen Akademie“ ist es zu danken, die Sängerin 1990 wieder in ihre Heimat eingeladen zu haben. Beim Recital im Colosseum, der Kongreßhalle am Dutzendteich, bestätigte Ingeborg Russ ihren hohen künstlerischen Rang mit Mahler, Schönberg, Brahms und Strauss. Bei diesen vier – höchst unterschiedlichen – Komponisten trifft Russ den persönlichen Charakter, als sei sie Spezialistin für jeden: bei Brahms das Liebliche, melodisch Blühende, bei Strauss die üppige Kantilene, bei Mahler die zwielichtige, manchmal bittere Melancholie, bei Schönberg die aparten, kühnen Harmonien, die aus der Spätromantik zu neuen Ufern streben. Jedes Lied wird nicht nur technisch einwandfrei gesungen, sondern macht menschliche Vorgänge, dramatische Szenen, zeitgeschichtliche Hintergründe lebendig. Auf den Flügeln der Gesänge Gustav Mahlers erklimmt Ingeborg Russ die höchsten Gipfel. Ob das in früheren Konzerten die „Mitternacht“, die „Kindertotenlieder“ waren, oder jetzt die „Lieder eines fahrenden Gesellen“. Immer erschließt sie dem gesungenen, gestalteten Wort geistige Räume, seelische Tiefen. In diesem frühen Mahler-Zyklus ist der Ich-Erzähler hin- und hergerissen zwischen Hoffen und Verzweifeln, zwischen märchen-naivem Jauchzen und tragischer Todesnähe. In (…) dieser vokalen Passion überstürzen sich die Ereignisse: das Blitzen des „glühenden Messers“, das Auffahren aus Träumen, das leiderfahrene Versinken in Resignation. Die Skala der aufgewühlten Emotionen reicht von volksliedhaft einfach bis ekstatisch übersteigert. Die Russ zwingt den Hörer in das Spannungsfeld. Darin manifestiert sich die bedeutende Mahler-Sängerin: in vielen Zwischentönen, mit starkem Gefühl und scharfem Intellekt gerät die Interpretation vollkommen zur Identifikation. Auch bei dem sanfteren Brahms bleibt die Sängerin nicht an der schönen, glatten Oberfläche, sondern greift tiefer in die Schilderung dramatischer Vorgänge. Die Trauerstimmung „Auf dem Kirchhofe“ wird ebenso atmosphärisch lebendig wie die Vehemenz in „Ach, wende diesen Blick“. Arnold Schönberg und Richard Strauss, die Zeitgenossen der Jahrhundertwende, werden in Liedern aus den neunziger Jahren kontrastreich konfrontiert. Schönberg bringt neue Töne in die eigenwillige Lyrik Dehmels, Strauss läßt die Gedichte mit weitbogiger Kantilene und ariosem Elan schillern. Ingeborg Russ wird allen Stilen gerecht. Den fülligen, geschmeidigen Mezzosopran kann sie dunkel timbrieren oder in leuchtender Höhe aufhellen, dramatisch entfalten oder zu intim leisen Tönen zurücknehmen. Gernot Tschirwitz, ein sensibler Pianist, gibt vom Flügel aus inspirierende Impulse. Das Publikum nahm den Kosmos in Liedern mit begeistertem Beifall auf.

Nürnberger Nachrichten, 7./8.4.1990
Fritz Schleicher

 

Farben später Romantik

Lieberabend von Ingeborg Russ in der Kongreßhalle

(…) Die „Kammermusikalische Akademie“ hat mit der Verpflichtung von Ingeborg Russ, die in Nürnberg zur Sängerin herangereift ist und seit 1983 in Detmold lehrt, konsequent ihren Weg weiterverfolgt. Daß die Sängerin mit Brahms eröffnete, gehört zu den von der Akademie vorgegebenen Pflichten, schließlich ist die sechsteilige Reihe in der Kongreßhalle am Dutzendteich diesem Komponisten gewidmet. Aber es war hörbar keine lästige Pflicht; Ingeborg Russ widmete sich mit großem Engagement diesen Kompositionen, gleich die Eröffnung mit „Immer leiser wird mein Schlummer“ ließ dank der stimmungsvollen Farbigkeit aufhorchen. Außer Brahms standen noch die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler und die Vier Lieder op. 2 von Arnold Schönberg sowie fünf Lieder von Richard Strauss auf dem Programm, insgesamt also vier Programmblöcke, die von der Sängerin mit allen Nuancen des Ausdrucks ausgestattet wurden. Es war ein verhangener Abend, die ausgewählten Lieder zählen zu den traurigsten der traurigen, zu den wehmütigen, den resignierenden. Nur ab und zu genehmigte sich Ingeborg Russ einen hellen Tupfer, wurde im Visionären liebenswert. Gernot Tschirwitz verhalf ihr am Flügel dazu, die innere Spannung zu intensivieren, mitunter durch konträre Stimmungen zu steigern. Ob es nun die laue Luft im Brahms-Lied war, der O-Weh-Schmerz und die Dramatik des glühenden Messers bei Mahler, die gestörte Naturlyrik in Schönbergs Dehmel-Vertonungen oder die sofort zurückgenommene Steigerung „O Glück“ bei Strauss: die Bildhaftigkeit und die Ausdruckskunst der Sängerin vermittelte starke Eindrücke. Besonders in den Strauss-Liedern war auffallend, wie sie den Klang auszukosten versteht, ohne ihn zu zelebrieren. Ein Abend der ausgefeilten musikalischen Anspruchskultur, die das Programm bestimmte bis zum Schluß mit der Strauss-Zugabe „Habe Dank!“.

Nürnberger Zeitung, 7.4.1990
br.

 

Ingeborg Russ sang Mahler in Nürnberg

Faszinierender Liederabend im Konzertsaal der Kongreßhalle am Dutzendteich

Die Altistin, jetzt Professorin an der Musikhochschule Detmold, gilt international als Mahler-Spezialistin. So waren auch bei diesem Konzert Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ der Mittelpunkt. In jeder Phase erwachte jene ganz besondere Mischung aus Naivität, Schmerz und brüchiger Empfindung. Einen fast zu Tränen rührenden Kontrast brachte die Künstlerin bei dem nahezu kindlich empfundenen „Ging heut morgen übers Feld“ und der Dramatik von „Ich hab ein glühend Messer“. Wie sich im „brillanten Mahler“ das Licht fängt und sich in vielen Farben bricht, so ließ die Sängerin fünf Lieder von Brahms, Schönbergs Vier Lieder op. 2 und fünf Gesänge Richard Strauss‘ in den jeweils ihnen gebührenden Farben erglänzen. So spannte sie eine interessante Brücke zwischen Liedkompositionen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. In Gernot Tschirwitz hatte Ingeborg Russ einen intelligent mitgestaltenden und einfühlsamen Begleiter.

Nürnberger Abendzeitung, Datum nicht bekannt
M.S.

 

Von Elfen und von pochenden Herzen

Die Sopranistin Barbara Schlick bei der Kammermusikalischen Akademie Bad Kissingen

Ursprünglich war der Liederabend mit (…) Barbara Schlick (…) im Weißen Saal des Kissinger Regentenbaus vorgesehen. Aber das rege Publikumsinteresse – vor allem auch aus Würzburg – ließ einen Umzug in den Großen Saal erforderlich werden, der zudem durch seine vorzügliche Akustik für ein Konzert dieser Art prädestiniert ist. Barbara Schlick, durch ihre ausgedehnte Konzerttätigkeit international bekannt und heute Dozentin an der Hochschule für Musik Würzburg, bot zusammen mit ihrem Partner am Flügel, Gernot Tschirwitz (…), eine Programmfolge zwischen Wiener Klassik und Spätromantik, deren Reiz darin bestand, daß sie subtil auf den spezifisch helltimbrierten lyrischen Stimmcharakter Barbara Schlicks ausgerichtet war. Kontraste feinster Art setzte sie bei den drei Liedern von Hugo Wolf gegeneinander, wenn sie das „Elfenlied“ in deren Mitte stellt: eine zauberhafte Nachtstimmung, doch nicht dunkelgetönt, sondern glitzernd und funkelnd. Barbara Schlick zeichnet den graziösen Charme dieser Szene zwischen Elfen, Glühwürmchen und dem Ruf des Nachtwächters unwiderstehlich nach, und Tschirwitz ergänzt die märchenhafte Situation, indem er Wolfs silbrigem Klaviersatz duftige Helle und Leichtigkeit verleiht. Eingehüllt war dieses Lied durch die großen Melodiebögen von „Verborgenheit“ und die empfindsame Sphäre des Liedes „Wie glänzt der helle Mond“. Besonders reizvoll gelangen Barbara Schlick auch die „Schlichten Weisen“ Max Regers (…). Hier traf sie stilistisch sehr sicher den idyllischen Ton Regers, diese Verbindung von Volksliedhaftem und Innigem, von Humor und Naivität, und Tschirwitz führte feingesponnen die satztechnischen Raffinessen Regers vor, die diesen Liedern ihre ganz gewisse Würze mitgeben. Natürlich flochten die beiden Künstler auch einen Schubert-Kranz von sechs Liedern, (…), überwiegend nach Goethe. Es sind bemerkenswert gegensätzliche poetisch-geistige und  musikalische Inhalte, wenn die ganz große Dichtkunst von „Füllest wieder Busch und Tal“ und „Nur, wer die Sehnsucht kennt“ unmittelbar neben dem hochgespannten Erregungszustand von „Gretchen am Spinnrad“ stehen,  ein Spannungsbogen, der (…) suggestiv vermittelt wurde. Auffallend, wie Barbara Schlick ein solch ausführliches Programm so ökonomisch anlegt, daß sie die Liederfolge von Richard Strauss als Schluß ebenso frisch und klangintensiv vortragen kann wie die Haydn-Lieder, den Auftakt des Abends. So waren die Strauss-Gesänge „Ich wollt ein Sträußlein binden“ (…) bis zu „Schlagende Herzen“ eine aparte Folge von gestalterischen Differenzierungen spätromantischer Melodienseligkeit und textlicher Auffächerung. Überaus herzlicher Applaus und zwei Zugaben: „Fünfzehn Pfennige“, eine heitere Szene von Strauss, und Regers „Hans und Grete“.

Main-Post Würzburg, 6. April 1989
Otto Strodel

 

Perfekte Harmonie von Stimme und Instrument

Barbara Schlick und Gernot Tschirwitz bei der Kammermusikalischen Akademie

Bad Kissingen. Es war sicherlich nicht aus dem Lot geratenes Augenmaß der Veranstalter, den Liederabend (…), der ursprünglich im Weißen Saal angesetzt war, in den Großen Saal des Regentenbaus zu verlegen. (…) Dieser Schritt zeigt, daß die neue kammermusikalische Reihe ganz offensichtlich eine künstlerische Bedarfslücke getroffen hat, und daß sie sich mittlerweile fest im Bewußtsein und Interesse des Publikums etabliert hat. Und er bot den beiden Ausführenden des Abends, Barbara Schlick (Sopran) und Gernot Tschirwitz (Klavier), die besten akustischen und technischen Voraussetzungen, die in Bad Kissingen zu bekommen sind. (…) Barbara Schlick ist eine durchaus faszinierende Sängerin, die sich (…) als Opern- und Oratoriensängerin einen sehr guten Namen gemacht hat. Sie verfügt über eine glänzende Technik, die Schwierigkeiten gar nicht erst bemerkbar macht, und die ihr größte Genauigkeit in der Intonation und im Rhythmus ermöglicht. So kann sie auf ein starkes Tremolo verzichten und auch in leisen Passagen noch sehr klar und deutlich artikulierend singen. Darüber hinaus ist ihre Stimme auch in der Tiefe noch außerordentlich präsent. Mit diesen Vorgaben gelangen ihr dynamisch sehr differenzierte und facettenreiche Interpretationen von großer Eindringlichkeit. Gernot Tschirwitz war ihr da ein kongenialer Begleiter, der äußerst exakt mit ihr musizierte, der sehr feinfühlig auf sie einging und sehr genau den Stimmungen der Musik nachspürte. Malte er bei der Begleitung der Lieder von Wolf und vor allem Strauss mit gelegentlich kräftigen Farben und großer Spannung, so gestaltete er den Klavierpart bei den Kompositionen von Haydn, Schubert und Reger eher zurückhaltend. Damit wurde nicht nur der Wandel in der Funktion der Klavierstimme deutlich, sondern er erreichte (…) noch einen anderen Effekt: Dadurch, daß er sein Publikum zwang, genau zuzuhören, verlagerte sich die Hörbalance; die Aufmerksamkeit richtete sich von der im Vordergrund stehenden Singstimme mehr auf die Klavierstimme – der Eindruck der gewollten Einheit von beiden wurde dadurch umso stärker. Wunderschön gerieten so etwa Haydns „Das Leben ist ein Traum“ mit seinen aufbäumenden Fragen, dessen tiefe Interpretation die Ausnahmestellung von Haydns Liedern zu seiner Zeit verdeutlichte, oder das sehr leichte, heitere „Heller Blick“. (…) Zu großer Innigkeit gerieten Regers „Schlichte Weisen“, etwa das äußerst schwer zu singende, hohe und leise „Des Kindes Gebet“, vom Klavier in Glockenspielmanier begleitet. Sehr schön herausgearbeitet waren die Tonmalereien und rhythmischen Streiche in Hugo Wolfs „Elfenlied“, sehr schön ausgesungen und doch voller Spannung im Einklang mit dem Klavier gerieten Strauss‘ „Schlagende Herzen“ zu einem großartigen Abschluß des Programms. Der begeisterte Applaus erzwang zwei Zugaben.

Saalezeitung Bad Kissingen, 7.4.1989
Thomas Ahnert

 

Lodernder Aufruhr der Gefühle

Schmelz, aber kein Schmalz beim Liederabend im Weißen Saal

Als Bismarck einst gefragt wurde, welchem Ereignis seines Lebens er die wichtigste Bedeutung beimesse, antwortete er schlicht: „Daß keines meiner Kinder gestorben ist.“ Mag sein, daß viele Menschen den Tod so manchen Kindes früher mit jenem Gleichmut aufgenommen haben, den die Gewöhnung an die Grausamkeit des Lebens mit sich bringt. Friedrich Rückert, dessen 200-jähriger Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, gehörte nicht zu ihnen. Die Gedichte, die er nach dem Tod seiner Kinder schrieb, sprechen eine deutliche Sprache von Schmerz und Herzensleid. Gustav Mahler wiederum, der den gleichen Schmerz erlitten hatte, setzte diese als „Kindertotenlieder“ bekannten Texte in kongenialer Weise um. Mit diesen Liedern bestritten der Würzburger Pianist Gernot Tschirwitz und der Bariton Klaus Lapins den ersten Teil eines dem Komponisten Gustav Mahler gewidmeten Liederabends in Bad Kissingen. Es war ein tiefinnerlicher, trauriger, zu Herzen gehender Auftakt eines Abends, in dessen Verlauf auch die beiden anderen Orchesterliedergruppen Mahlers, (drei von fünf) Rückert-Lieder „aus letzter Zeit“ sowie die „Lieder eines fahrenden Gesellen“ erklangen. Klaus Lapins wußte die nicht geringen Anforderungen mit bewegendem stimmlichen Ausdruck zu meistern. Er begann verhalten (…) und steigerte sich, besonders im letzten Lied des ersten Teils, zu loderndem Aufruhr der Gefühle. Wohllaut paarte sich mit Tiefe in „Wenn dein Mütterlein“, das, eher wie ein Kinderreim einsetzend, zu aufgewühltem Gefühlstumult aufforderte. Der anhaltende Beifall nach diesen ersten fünf Liedern zeigte bereits, daß es Lapins und seinem Begleiter gelungen war, die Zuhörer in die innere Bewegung dieser ergreifenden Lieder mit hineinzuziehen. Makellose Schönheit bestimmte dann die drei Lieder zu Beginn des zweiten Teils. Wohltuend verströmte sich die Stimme wie der im ersten Lied angesprochene „linde Duft“; kräftig und ausdrucksvoll schwang sie sich zu leuchtender Höhe, blühte geradezu auf, um in vielfältiger Nuancierung zu vergehen. Es zeigte sich, daß Lapins das lyrisch-romantische Fach beherrscht, aber auch im dramatischen zuhause ist: „Um Mitternacht“ wurde zu einem Höhepunkt! (…) Was die Stimme des Sängers nicht mehr preisgab, das sagte die Begleitmusik: Gernot Tschirwitz am Klavier war ein überaus einfühlsamer Begleiter, der die Akzente behutsam und genau setzte. Wer befürchtet hatte, daß der Klangreichtum, die Schwere und Strenge des ursprünglichen Orchestersatzes, die für Mahler typische freie Behandlung der Tempi, die Schwierigkeit der Klangfarben im Klaviersatz nicht herauskämen, der hatte sich getäuscht. Verblüfft wurde man insbesondere durch den vergleichsweise gering dosierten Pedaleinsatz. (…) Gernot Tschirwitz setzte genaue Gegenlichter, malte geradezu lautmalerisch reiche Klangfarben, gestaltete die Tempi, den Rhythmus mit äußerster Präzision. Kein Wunder, daß bei soviel Können lautstark Zugaben gefordert wurde. Als Wiederholung erklangen das wundersam weiche und romantische „Liebst du um Schönheit“, sowie, als passende Aufforderung, Robert Schumanns „Zum Schluss“.

Main-Post Bad Kissingen, 19.4.1988
Gisela Umenhof

 

Expressive Klangfülle und technische Souveränität

Klaus Lapins (Bariton) und Gernot Tschirwitz (Klavier) gaben einen Liederabend mit Werken von Gustav Mahler im Weißen Saal

Bad Kissingen. (…) Das Programm, das die beiden Künstler erarbeitet hatten und dem man auch den Untertitel „Zum Gedenken an Friedrich Rückert“ hätte geben können, war von außerordentlicher Attraktivität. Denn nur selten besteht die Gelegenheit, Mahlers drei Liedergruppen „Kindertotenlieder“, „Lieder aus letzter  Zeit“ und „Lieder eines fahrenden Gesellen“ an einem Abend zu hören. (…) Klaus Lapins ist ein Sänger mit erstaunlichen technischen Fähigkeiten. Er hat einen enormen Tonumfang, den er absolut sicher beherrscht. So erlaubt ihm seine technische Souveränität eine sehr expressive Darstellungsweise der Inhalte und eine Intensivierung des Eindrucks. Gernot Tschirwitz ist ihm ein kongenialer Partner. So klar, wie Klaus Lapins sang, so transparent spielte auch Gernot Tschirwitz, und er entfaltete dabei ein großes Spektrum an Klangfarben, dynamischen Differenzierungen und Emotionen. (…) Es war zweifellos sinnvoll, die „Kindertotenlieder“ an den Anfang des Abends zu stellen, denn sie sind eine schwierige Kost, nicht nur für die Interpreten, sondern auch für die Zuhörer. Das Schwanken zwischen Verzweiflung und Hoffnung – die allerdings trügt –, das Aufeinanderprallen von Wunsch und Realität, die Flucht in Visionen, die Verzagtheit, die sich in Vorwürfen und Selbstvorwürfen Luft macht, und schließlich das Versinken in Resignation waren von beiden Musikern ergreifend gestaltet. Drei „Lieder aus letzter Zeit“ schlossen sich an, sie brachten Beruhigung. Zunächst „Ich atmet‘ einen linden Duft“, ein Liebeslied von gewisser, gezügelter Freude. Ebenso innig gesungen und lyrisch begleitet war „Liebst du um Schönheit“. Prägnant herausgespielt von Gernot Tschirwitz waren die absteigenden Linien in „Um Mitternacht“, einem Lied, das die Sinnlosigkeit der menschlichen Bemühungen durch Gottvertrauen überwindet. Vergebliche Liebe war das Motiv des dritten Blocks, der „Lieder eines fahrenden Gesellen“, dessen Texte (…) von Mahler selbst stammen und eine rückgewendete romantische Grundhaltung haben. Sehr plastisch gestaltete Klaus Lapins die Enttäuschung des Verschmähten in „Wenn mein Schatz Hochzeit macht“, während Gernot Tschirwitz die Zerrissenheit der Stimmung durch prägnante Takt- und Tempowechsel illustrierte. Im Abschliedslied „Die zwei blauen Augen“ entwickelte sich aus einem leisen Marschrhythmus, dem Symbol des Abschiednehmens, ein zarter Gesang, eine Huldigung an Schubert. Der Applaus war begeistert. (…) Zwei Zugaben (…).

Saalezeitung Bad Kissingen, 19.4.1988
kat.

 

Viola und Klavier – ein faszinierendes Fest des Wohlklangs

Bernhard Oll und Gernot Tschirwitz gaben Kammermusik-Konzert im Weißen Saal des Regentenbaus

Frenetischer Beifall für zwei Könner. Der seit vier Jahren in Bad Kissingen als Musikpädagoge wirkende Gernot Tschirwitz hat sich ein weiteres Mal als Konzertpianist von hohen Graden erwiesen. Im Rahmen einer von ihm in Zusammenarbeit mit dem Kissinger Kunst- und Kulturkreis ins Leben gerufenen Konzertreihe (…) hat er zusammen mit dem Solobratschisten des Kölner Gürzenich-Orchesters Bernhard Oll einen Duoabend für Viola und Klavier gegeben und sich dabei in der Gestaltung außerordentlich anspruchsvoller und technisch schwieriger Klavierparts bewährt. Ihm ebenbürtig erwies sich Bernhard Oll. (…) Sein schönes Instrument, die Viola (…) entfaltete unter seinen Händen  eine enorme Ausdrucks- und Farbpalette von sanft verschleiertem bis zu strahlend kräftigem Ton. Beider Künstler Spieltechnik ist über Lob erhaben, und so war ihnen ein Kammermusikabend zu verdanken, der kaum Wünsche offen ließ, im Gegenteil ein Füllhorn herrlicher Klangerlebnisse vermittelte. (…) Darius Milhauds reichhaltiges Schaffen umfasst nahezu alle Gattungen, besonders aber die Kammermusik. (…) Seine „Première Sonate pour Alto et Piano“ ist frei von seiner Neigung, gleichzeitig mehrere Tonalitäten zu verwenden. Die Gefälligkeit der Themen dieser Sonate erfährt vielmehr eine zugleich kunstvolle und doch leicht eingängige Verarbeitung, häufig im Kanon von Bratschenstimme und Klavierimitation in allen Lagen. Barockfülle kennzeichnet den ersten Satz „Entrée“, kunstvolle Polyphonie den zweiten – beide wurden von den Interpreten plastisch mit den nötigen Akzenten dargeboten. Intim und sublim sordiniert das samtene „Air“, sinnfällig das teils fugiert-toccatenhaft, teils volksliedartig sich gebende „Final“. (…) Erstaunlich, mit welch überlegener Meisterschaft Tschirwitz dann die Klavierparts von Schuberts „Arpeggione-Sonate“ und der Sonate f-Moll für Viola und Klavier (…) von Johannes Brahms gestaltete. Die durchaus legitim für die Viola transskribierte Schubert-Sonate geriet im Zusammenwirken von Bernhard Oll und Gernot Tschirwitz zu einer Meisterleistung. Statt vieler gestalterischen Details seien vor allem die sensiblen Übergänge und die werkgerechte Agogik und Dynamik hervorgehoben, nicht minder die Plastizität beim charakteristischen Einsatz der verschiedenen Register in der Höhe und Tiefe der Viola sowie der Themengestaltung des Klaviers. Solche Vorzüge und Fähigkeiten prägten auch die Interpretation der Brahmsschen Sonate f-Moll. Die Vollgriffigkeit des Klaviersatzes erfuhr eine ebenso eindrückliche Wiedergabe wie die Verve des „Appassionato“ beider Künstler im ersten Satz; der weite Bogen mit weitem Atem im „Andante un poco Adagio“ des zweiten ebenso wie die Lockerheit in den Zwiegesprächen zwischen den wechselweise der Viola und dem Klavier übertragenen Haupt- und Nebenmelodien im dritten Satz und im „Vivace“ des vierten. Bei diesem war vor allem beim Pianisten wiederum virtuose und gestalterische Meisterschaft gefordert, eindringliches Espressivo nicht weniger vom Bratschisten. Beide (…)  führten das Meisterwerk zu einem hinreißenden Schluß, der frenetischen Beifall provozierte.

Saalezeitung Bad Kissingen, 31.3.1987
Otto Eisenburger

 

Eisblumen und Todesahnung

Die „Winterreise“ mit Klaus Lapins und Gernot Tschirwitz in Würzburg

Nicht jeder Sänger bewältigt Schuberts „Winterreise“, den „Zyklus von 24 schaurigen Liedern“, Psychogramme einer verletzbaren und verletzten Seele, dargestellt als Koordinatensystem romantischer Eingebungen: Sehnsucht, Nacht, Eisblumen, stürmisches Wetter, Erinnerung, Träume, Irrlichter, Einsamkeit, Todesahnen. Ist mit diesen Begriffen nicht ein wesentliches Fühlen und Empfinden der Romantik angesprochen? Und wenn ein  Franz Schubert diese biographischen Skizzen eines Suchenden, Verkannten und Ratlosen durch die Kunst der Musik in seinem Liedschaffen überhöht, dann ist das Hineinhorchen in die Unruhe des Herzens vollends perfekt, analytisch genau erfaßt. Das sitzt! Klaus Lapins (Bariton) und Gernot Tschirwitz am Flügel sind den Stationen eines bewegten Lebens mit großem Einfühlungsvermögen nachgegangen. Dazu besitzen beide Künstler das nötige Rüstzeug: die tadellos sitzende Stimme , die kaum versagende Technik, den rechten Ton, die gemäße Farbe im Nachvollzug der jeweiligen Lied-Noten-Texte, die Reife und „Volkstümlichkeit“, den ungeheuren Zyklus einem breiteren Publikum nahezubringen. Interessenten an jenem Abend im Kleinen Saal der Musikhochschule gab es in Fülle. Beide Ausführenden ließen, sorgfältig abgewogen, echte Romantik am Hörer vorbeiziehen, riefen die Begeisterung des Herzens wach, machten das unaufhörliche Sehnen, den Aufruhr der Leidenschaften, die Auflehnung, die Poesie und Wärme des Gesanges unmittelbar „schmackhaft“, nicht selten anreichend an Ergriffenheit. Mit viel Instinkt wurde dieser Zyklus in frostiger Winternacht dargeboten, mit dem rechten Tonfall, der Subtilität des Klavieranschlags und der Glut der Interpretationsfreude, die nicht aus den Bahnen geriet. Deutlich in der Aussprache, einfach in der dramatischen Kraft und im schlichten Vollzug der Melodik, im Nuancieren der komplizierteren Begleitung, erlebten wir einen Abend von persönlicher Ausstrahlung in durchdachter Konzentration, die sich von Lied zu Lied steigerte. Viel herzlicher Beifall für zwei Interpreten, für die Musik nicht bloß im Köpfchen und in den Fingern, sondern im Herzen liegt.

Volksblatt Würzburg, 4.2.1987
Klaus Linsenmeyer

 

Lieder von Liebesleid und Verzweiflung

Viel Beifall für Klaus Lapins in der Musikhochschule

(…) Klaus Lapins sang Schuberts „Winterreise“, einen Zyklus, der jeden Bariton reizt, und der jedem Sänger eine Menge an stimmlichen Qualitäten, Ausdrucksfähigkeit, Gestaltungskraft und Empfindungsintensität abverlangt. Daß Lapins die Erwartungen erfüllte, mochten ihm der starke Beifall und die Bravorufe aus dem über den letzten Platz hinaus besetzten Kleinen Saal der Hochschule für Musik bestätigen. Sein Bariton ist eher hell und schlank, ist beweglich genug, hat Volumen und auch schöne, lyrische leise Töne. Vor allem aber weiß Lapins ihn klug einzusetzen, ihn wandlungsfähig in der Zeichnung von Stimmungen und Gefühlen zu führen. So konnte er die Vielschichtigkeit des Zyklus entfalten, jedes einzelne dieser Lieder von Liebesleid, Verzweiflung, Aufbegehren, Selbstmitleid und Resignation, auf seinen Gehalt und vor allem auf die großartige Umsetzung der Müller-Verse (trotz ihrer gelegentlichen Banalität) in Musik ausloten und in die Gesamtabfolge der Geschichte einordnen. Zum stärksten gehörten – neben den dramatisch und aus der inneren Zerrissenheit angelegten „Rückblick“ und „Frühlingstraum“ – „Der greise Kopf“, der sehr bewegte „Stürmische Morgen“, die lyrische „Täuschung“, vor allem aber der „Wegweiser“ und der ganz ausgezeichnete „Leiermann“. (…) Gernot Tschirwitz am Flügel achtete auf seinen Sänger so genau wie auf seinen Part, spielte einfühlsam und sensibel, paßte sich an, ohne jedoch die Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit des mehr als begleitenden Klavierteils hintanzustellen. (…)

Main-Post Würzburg, 5.2.1987
Otto Strodel

 

„Winterreise“ in vollendeter Harmonie

Klaus Lapins im Weißen Saal – eine der schönsten Veranstaltungen des Jahres

Bad Kissingen. (…) Klaus Lapins besitzt eine sehr männliche (…) Stimme von großem Umfang, die mit Leichtigkeit bis in Baßtiefen und beinahe tenorale Höhen reicht. Die Schubert-Lieder sind mit ihrem sehr stark abgestuften Stimmungsgehalt ein Prüfstein für jeden Liedersänger. Klaus Lapins erwies sich ihnen mehr als gewachsen: Er malte geradezu plastisch die einzelnen Farben dieses an Schattierungen und Kontrasten reichen Klanggemäldes. Dabei klang seine äußerst modulationsfähige Stimme in den romantischen Teilen zart und unsagbar weich, in „Gefrorne Tränen“ etwas nervig und gleichsam nackt, wobei „des ganzen Winters Eise“ fühlbar in Moll erstarrte. Anderswo, so in dem bekannten Lied vom „Lindenbaum“, setzte er seine Stimme in einfachster Schlichtheit ein, umschiffte erfolgreich die Klippen des Süßlich-Sentimentalen, blieb ganz verhalten. Da schimmerte größte Trauer durch, strahlte sie plötzlich kraftvoll auf, um gleich darauf warm und einschmeichelnd die Erinnerung an verlorenes Glück aufzunehmen. Mühelos und leicht wechselte der Sänger von den verhangenen Tiefen zu fast schmetternd aufsteigenden Höhen, von der Verhaltenheit zur Kraft, der Sanftheit zur Stärke, und der in den lyrischen Passagen so weiche Ton konnte sich zu dramatischen Ausbrüchen von äußerster Wucht steigern. Faszinierend und verblüffend, und ihrer beinahe undefinierbaren Fülle beglückend, waren hierbei die vielen in dieser Stimme irrlichternden Schwingungen, die sich jeder noch so kleinen Nuancierung der Aussagen anschmiegten und sich brachen wie die Wellen an einer Uferwand. Wobei Lapins selbst in den atemlosesten, jagendsten Partien so makellos artikulierte, daß der Zuhörer jedes Wort verstand. Ob vital und stürmisch, dramatisch-wuchtig, schwer und tief, leicht und zart oder glutvoll sich aufbäumend, diesem Sänger standen mühelos alle Ausdrucksformen zur Verfügung – ohne auch nur die kleinste Ermüdungserscheinung. Ihm zur Seite stand mit Gernot Tschirwitz ein sehr einfühlsamer Pianist, der, ohne sein eigenes Können zu unterdrücken, stützte und hielt, in funkelnden, manchmal geradezu fulminanten pianistischen Kabinettstückchen Gegengewichte setzte. Die Übereinstimmung und vollendete Stimmigkeit zwischen Gesang und Klavierbegleitung war ein seltenes Beispiel für einen geglückten Liederabend. Und daß sich Klaus Lapins Stimme selbst noch gegen die wuchtigsten, am Flügel hochaufgetürmten Klanggebäude behauptete, wie andererseits das Piano nirgendwo den Gesang erschlug, jagte oder bremste, spricht für die bereits in die Jahre des Studiums in Würzburg zurückreichende Zusammenarbeit.

Saalezeitung Bad Kissingen, 22.12.1986
kua.

 

Ein ganzes Bukett von Stimmungen

Der Würzburger Bariton Klaus Lapins gab einen Liederabend im Kleinen Hochschulsaal

(…) Klaus Lapins, bis 1975 als lyrischer Bariton am Kardinal-Faulhaber-Platz beschäftigt und seitdem am Staatstheater Saarbrücken engagiert, gab nun, zum zweitenmal binnen 15 Monaten, ein Konzert mit Liedern von Robert Schumann (den Zyklus „Dichterliebe“ op. 48 nach Texten von Heinrich Heine), Samuel Barber und Richard Strauss im gut besuchten Kleinen Saal der Hochschule für Musik. (…) Zur bemerkenswerten Geschmeidigkeit der Stimme von Klaus Lapins, zu lyrischem Schmelz und Modulationsfähigkeit gesellen sich – im Verein mit Wohlklang – immer mehr Kraft und Ausstrahlung. Vor allem aber besitzt dieser junge Sänger die Gabe, ein ganzes Bukett unterschiedlichster Stimmungen zu erzeugen. Dabei klebt er längst nicht mehr am lyrischen Fach, weiß Dramatik wohldosiert mit einzubringen, wie im Strauss-Lied „Ruhe, meine Seele“, das er als einziges aus seinem letzten Würzburger Konzert vom Februar 1978 in das Repertoire übernommen hatte. Mühelos und unforciert vermag sein Bariton in tiefe Bereiche einzutauchen, nach oben hin wird Feinschliff noch gelegentliche kleine Unschärfen glätten. Gernot Tschirwitz (Würzburg) am Flügel war erneut der auf alle Nuancierungen des Sängers – und deren gab es nicht wenige – eingehende Partner, wobei ihm die häufige Eigenständigkeit des Klavierparts darüber hinaus genügend Raum zur eigenen Darstellung als sensibler Pianist ließ. Starker Beifall eines beeindruckten Publikums, viele Blumen, Zugaben.

Main-Post Würzburg, 30.5.1979
Hans Behr

 

Sichere Stimmführung

Liederabend Klaus Lapins im Kleinen Saal der Hochschule für Musik

Der Erfolg des Ausgebildeten ist immer auch ein Erfolg seiner Ausbilder, und so kann sich mit Klaus Lapins auch die Würzburger Hochschule für Musik über den begeisterten Beifall freuen, den dieser für seinen Liederabend im fast vollbesetzten Kleinen Saal der Hochschule entgegennehmen konnte. Klaus Lapins ist mehr als ein begabter, vielversprechender junger Künstler. Er hat sich seine ersten Sporen verdient – seit nunmehr drei Jahren am Staatstheater Saarbrücken, von 1973 bis 75 als lyrischer Bariton am Stadttheater Würzburg. Dazu Konzerte: Lapins ist dabei, seine Versprechungen einzulösen. Was er dazu mitbringt ist eine sehr schöne Stimme von nicht alltäglichem Wohlklang, biegsam und geschmeidig, mit strahlendem Glanz, weichem Schmelz, aber auch Kraft und Volumen. Was er dazugibt ist eine ausgezeichnete Technik und Sicherheit in der Stimmführung; er weiß, wie er die Stimme einzusetzen hat, wie er sie entfaltet, stützt, nuanciert und moduliert, wie er sie zum sensiblen Instrument des Ausdrucks macht – romantische Schwärmerei und Verträumtheit, sprudelnde Munterkeit, Ungestüm. Und schließlich gehört Lapins offenbar zu den Sängern, die eine besondere Liebe und Beziehung zum Lied haben, die es verstehen, aus dem Gehalt, der Impression von Text und Melodie eine überzeugende musikalische Einheit mit reicher Palette der Schattierungen zu machen. Sein Programm brachte Lieder von Schubert, Brahms und Richard Strauss. Sie waren so gewählt, daß sie die Spannweite seiner Möglichkeiten der Interpretation und der stimmlichen Mittel aufdeckten und von Lied zu Lied, von Komponist zu Komponist eine Steigerung gaben. Besonders Geglücktes hervorzuheben fiele schwer, da Klaus Lapins jedes Lied stilistisch und stimmlich mit der gleichen Sorgfalt erarbeitet hatte und gestaltete. Gernot Tschirwitz am Flügel war dem Sänger ein sehr guter Partner: Kongenial in der Auffassung, feinnervig und sicher trat er zurück oder betonte, wie es die Interpretation erforderte. Auch seine Palette war reich an Schattierungen und Stimmungen, und immer war es ein kleines „Gesamtkunstwerk“, das Lied. Das Publikum verlängerte sich den Abend um drei als Zugabe gewährte Strauss-Lieder.

Main-Post Würzburg, 13.2.1978
Otto Strodel

 

Mit nervigem und impulsivem Ton

Erstes Meisterklassendiplom mit Klaus Lieb und Gernot Tschirwitz

Ein Programm hatten sich der Geiger Klaus Lieb (Klasse von der Goltz) und der Pianist Gernot Tschirwitz in diesem als „Meisterklassenpodium“ plakatierten Konzert zusammengestellt, das an Durchstehvermögen und Konzentration Anforderungen stellte, vor denen vielleicht so mancher Podiumsroutinier zurückschrecken würde. Beide bewältigten jedoch die Kraftprobe im Kleinen Saal der Hochschule mit Gelassenheit. Ohne Frage kamen dabei gerade die Sonaten von Ives, Ravel und Janácek, die den ersten Teil des Abends bildeten, dem geigerischen Temperament Klaus Liebs besonders entgegen. Er scheint eine Vorliebe zu besitzen für vielfältig kolorierte Kompositionen, die zudem mit virtuosem Beiwerk durchsetzt sind. Solches bot ihm bereits Charles Ives‘ „Second Sonata“ in Hülle und Fülle: Kein harmloses Einspielstück war dieses Opus, sondern ein genialisches, heikles Konglomerat von Witz, Folklore und modernistischen Elementen. Lieb entfaltete schon im ersten Satz einen sehr nervigen, impulsiven und dabei schlanken Ton, der ihn immer wieder gerade breitausladende Forte-Kantilenen besonders akzentuieren ließ. (…) Ravels Violinsonate servierte Lieb elegant und sehr effektvoll.  Besonders überzeugend gelang ihm der getragene Blues-Satz, indem er konsequente Steigerungen anlegte. Die Sonate von Leos Janácek schließlich spielte er mit Akribie und ohne die Melodik des Stückes schwülstig zu überzeichnen. Bei all dem hielt sich Gernot Tschirwitz, wiewohl dem Geiger technisch und musikalisch wahrlich in nichts nachstehend, bewußt in der Rolle des Begleiters. Er setzte jedoch immer wieder rhythmische und agogische Akzente. Sein Anschlag ist sehr dezidiert, und er zeichnete melodische Konturen niemals vage nach. Bezeichnend war es, daß er etwa den Auftakt der Ravel-Sonate kaum legato, sondern klar markiert spielte. An einzelnen Passagen freilich schien dieses Moment eine Spur zu entschieden ausgeprägt; so etwa, als Tschirwitz im Kopfsatz der abschließenden G-Dur-Sonate von Brahms die Baßstimme des dahinfließenden Hauptthemas allzu deutlich betonte. Klaus Lieb musizierte diese Sonate überaus glatt, kraftvoll im Zugriff und sehr expressiv.  Seine Interpretation glitt dabei nie ins Schwärmerisch-Kitschige ab. – Die insgesamt bravouröse Leistung der beiden wurde mit langanhaltendem Beifall bedacht; es gab eine Zugabe.

Volksblatt Würzburg, März 1976. P.C.

 

Geistvolle Bewegungsspiele

Klaus Lieb und Gernot Tschirwitz spielten Violinsonaten in der Musikhochschule

Das Bezeichnende an diesem Meisterklassenpodiums-Konzert von Klaus Lieb, Violine (Klasse von der Goltz), und Gernot Tschirwitz, Klavier, im Kleinen Saal der Musikhochschule war, daß ausschließlich Werke mit geistig-ausdrucksmäßigen Inhalten auf dem Programm standen. In den vier Violinsonaten von Charles Ives, Maurice Ravel, Leos Janácek und Johannes Brahms sucht man vergeblich nach selbstzweckhafter, glanzvoll-polierter Virtuosität. Werke solchen Schlages, die an das Durchstehvermögen der Solisten beträchtliche Anforderungen stellen, scheinen der musikalischen Wesensart von Lieb und Tschirwitz ziemlich genau zu entsprechen. So beeindruckten sie durch eine präzis ausbalancierte Wiedergabe der geistvollen Bewegungsspiele in Maurive Ravels Sonate, bei der die mit raffinierter Blues-Rhythmik durchsetzte Machart des zweiten Satzes voll federnder Leichtigkeit war. So hatte die Wiedergabe der Sonate von Leos Janácek aus dem Jahr 1914 dynamische Kraft und rhythmische Intensität, und so gewann Charles Ives‘ eigenwillig kühne „Second Sonata for Violin and Piano“ festgefügte Konturen. Die breit ausgesponnenen gesanglich-melodischen Lyrismen in Johannes Brahms‘ G-Dur-Sonate op. 78 wurden von Lieb und Tschirwitz mit beachtlichem Mut zu gefühlsmäßiger Auslotung der elegischen Stimmungen dieses Werkes angegangen. Das Publikum reagierte mit reichem Applaus.

Main-Post Würzburg, März 1976. Otto Strodel

 

Drei Psalmen für Sopran, Chor und Streicher

Konzert in der St.-Andreas-Kirche Würzburg, 20. März 1972

Ein neues Ensemble hatte Premiere: Die Würzburger Junge Camerata hielt mit einem Geistlichen Konzert in der St.-Andreas-Kirche einen so imponierenden Einstand, daß man kommenden Taten mit Spannung entgegensehen kann. Gernot Tschirwitz stellte sich nicht nur als Gründer und Leiter eines respektablen Kammerchors und Kammerorchesters vor, er präsentierte auch eine eigene Komposition dreier Psalmen (Nr. 6, 14 und 89) für Sopran, Chor und Streicher. Ein einfallsreiches Werk, das die markante Sprache des Alten Testaments dramatisch ausschöpft, mit phantasievollen Harmonien, expressiven Wendungen, von suggestiver Kraft. (…)

Main-Post Würzburg, 22.3.1972
Unbekannt

 

Auserlesene liturgische Musik

Würzburger Junge Camerata: Geistliches Konzert in der Auferstehungskirche Bamberg, 25. März 1972

(…) Gernot Tschirwitz, dessen ungewöhnliche musikalische Begabung vielen Bambergern bekannt ist, hat in der hervorragenden Einstudierung und Führung eines Ensembles junger Studenten des Bayerischen Staatskonservatoriums alle Erwartungen erfüllt. In der Erstaufführung seiner „Drei Psalmen“ erwies er sich als gründlich geschulter Tonsetzer, dem es mit diesem Werk gelungen ist, der modernen Kirchenmusik eine wirkliche Bereicherung zuzuführen. Schon die interessante Anlage mit dem Wechsel zwischen lateinischem Chortext und Sopransoli in deutscher Sprache ist fesselnd. Der rhythmisch lebendige Satz mit starkem Ausdrucksstreben in der Sopranstimme läßt in der klanglichen Struktur des Chores und der untermalenden Streicher die Vorbilder Schönberg, Strawinsky und Distler erkennen, deren Technik jedoch keineswegs in epigonalem Sinn verwendet wird. Die Basis liturgischer Konzeption wird stets beibehalten, sodaß die gekonnt moderne Ausdeutung der Psalmtexte starken Eindruck hinterließ. Tschirwitz‘ feinnervige musikalische Ader übertrug sich auf den Kammerchor und das mit größter Reinheit musizierende Kammerorchester. In selten schöner, klangvoller und ausdruckserfüllter Vokalisation erklangen Chorwerke der Renaissance und des Frühbarock von Eccard, Staden und Rosenmüller (…), eine Werkgruppe aus der italienischen Chorblüte des 16. Jahrhunderts (Palestrina, Ingegneri und Anerio) (…) sowie eine beglückende Auswahl zeitgenössischer Chöre von Pepping, Thomas und Distler. (…) Die Kantate Nr. 84 von Joh. Seb. Bach „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“ beschloß in schöner Abrundung die Vortragsfolge. Claudia Caspari, Sopran, vom Stadttheater Würzburg, die sich mit starker innerer Beteiligung und ihrer kernigen Stimme in den Psalmen eingesetzt hatte, war auch als Solistin in der Bachkantate eine ihrer (hier völlig anders gearteten) Aufgabe in jeder Hinsicht gewachsene Interpretin. Zu ihr gesellten sich das Oboentalent Yasuhiro Yamamoto und Klaus Lieb, Violine, in ideal ergänzender Weise.

Fränkischer Tag Bamberg, 27.3.1972
E.K.

 

Geistliches Konzert in der Auferstehungskirche

Camerata Vocale Würzburg

(…) In starkem Kontrast zum ersten Teil des Konzertes stand die Aufführung moderner Motetten. Aufrüttelnd erklang das „Freuet euch des Herrn“ für gemischten Chor und Vorsängerin (Hanne Giegold) von Dietrich von Bausznern mit seinen fanfarenartigen Rufen. War der Satz „Gott wird abwischen alle Tränen“ von Kurt Thomas noch in seiner Schlichtheit traditionell gebunden, so ging Gernot Tschirwitz in der Motette „Es war ein reicher Mensch“ für gemischten Chor und Sprecher ganz neue Wege. Mit seinen Klangballungen, die vor allem im Sopran bis an die Grenze der stimmlichen Möglichkeiten gingen, den rhythmischen Gegensätzen und dem Aufschrei am Schluss war dieses Werk wie ein Anruf an unsere Zeit!

Main-Post Würzburg, 2.3.1967
-nd-